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h_da meets EAD – Projekt zur Kreislaufwirtschaft

Sortierung Alttextilien
Quelle: Pascale Diefenbach

Jährlich werden in Deutschland etwa eine Million Tonnen Altkleider in Altkleidercontainer oder -sammlungen gegeben. Mit dieser Menge könnten 62.000 LKW gefüllt werden – und die Menge wächst stetig. Maßgeblich beteiligt ist vor allem die „Fast Fashion“-Industrie, die für die häufig wechselnden Modetrends und der damit zusammenhängenden, immer kürzer werdenden Nutzungsdauer verantwortlich ist. So kommen viel mehr Alttextilien zusammen, als wiederverwendet werden können.

Dabei gibt es zwei Möglichkeiten seine Altkleider nachhaltig zu entsorgen: 


  1. Altkleidercontainer und Haustürsammlung: Diese Altkleider gehen nach der Sammlung für gewöhnlich direkt an gewerbliche Textilverwerter. Bei Altkleidercontainern von gemeinnützigen Sammelorganisationen fließt der Verkaufserlös in soziale Projekte.
  2. Altkleiderspende bei sozialen Einrichtungen: Kleiderkammern, Sozialkaufhäuser und Hilfsgüterinitiativen nehmen Altkleider direkt an. Die Textilien werden direkt auf ihre Qualität und Verwendbarkeit geprüft und als Secondhand-Kleidung (preiswert) angeboten oder an hilfsbedürftige Menschen im In- und Ausland abgegeben. Unbrauchbare und überschüssige Altkleider werden von den Einrichtungen an gewerbliche Textilverwerter abgegeben.

So können Verbraucher*innen selbst entscheiden, an wen sie ihre alte Kleidung abgeben und damit unterstützen möchten. Die Motivation, das jeweilige System zu nutzen, ist dabei für eine effektive Kreislaufwirtschaft ausschlaggebend. Nur, wenn die Verbraucher*innen beispielsweise einen ökologischen Vorteil als Folge ihres Handelns erkennen oder ihnen der persönliche Aufwand gerechtfertigt erscheint, werden sie das jeweilige System bedienen. Dabei spielt der Aufwand, der bei der Entsorgung entsteht, eine entscheidende Rolle.

Das Projekt

Sortierung Alttextilien
Quelle: Pascale Diefenbach

Die geschilderten Problemfelder nahmen die Masterstudiengänge Umwelt- und Bauingenieurwesen der Hochschule Darmstadt (h_da) zum Anlass, um im Sommersemester 2021 in Zusammenarbeit mit dem Darmstädter Eigenbetrieb für kommunale Aufgaben und Dienstleistungen (EAD) ein Projekt zur Optimierung der Erfassung von Alttextilien zu starten. Dabei entwickelten Studierendengruppen mit je fünf Mitgliedern, die ein fiktives Beratungsunternehmen darstellten, eigene Konzepte mit Handlungsempfehlungen und Maßnahmenkatalogen, um Sammelsysteme für Alttextilien zu verbessern. Die Optimierung zielte darauf ab, sowohl die Erfassungsquote als auch den Beitrag zur Kreislaufwirtschaft zu steigern.

Ende letzten Jahres fand die Projekt-Abschlussveranstaltung online statt, in der die Studierendengruppen ihre Ergebnisse präsentierten. Von Seiten der h_da war Studiendekanin Prof. Dr. Iris Steinberg als Projektverantwortliche anwesend. Für den EAD nahmen der stellvertretende Betriebsleiter Wolfgang Krause, der Sachgebietsleiter Abfallwirtschaft Klaus Maier, und die Abfallberaterin Birgit Jourdan-Müenk teil.

Bestandsaufnahme & Analyse

Alle Gruppen entwickelten ihre Konzepte auf Basis der gleichen Ausgangssituation. Zuerst erfolgte eine Begehung der Standorte der Altkleidercontainer. Hierfür teilten sich die Studierenden auf die 129 in Darmstadt verzeichneten Containerstandplätze auf, um die Standorte unter die Lupe zu nehmen. Bei der Beurteilung der Standorte standen folgende Fragen im Mittelpunkt: Wie viele Container befinden sich am Standort? Wie sind diese zugänglich? Funktionieren die Container, sind sie in einem guten Zustand und wie sind sie beschriftet?

Anhand dieser Leitfragen erfolgte die Analyse der Container. Manche Container waren nur schwer zugänglich, da sie sich beispielsweise nah am Straßenrand befanden und ganze 41 Prozent waren von Littering, also der Verschmutzung von Flächen und Räumen durch Müll, betroffen.

Sortieranalyse

Tüten Altkleider
Quelle: Pascale Diefenbach

Im Anschluss erfolgte die Sortieranalyse. Hierfür waren die Studierenden beim Entleeren und Sortieren der Altkleider dabei. Bei den ersten drei Standorten wurden 97 Prozent der Altkleider verpackt abgegeben; am vierten Standort waren es nur 57 Prozent – dabei sollen Altkleider ausschließlich in verschlossenen Tüten abgegeben werden. Nach der Sortieranalyse hat sich ergeben, dass 53 Prozent der analysierten Altkleider für Secondhand geeignet wären. Dennoch ist die Qualität der Alttextilien im deutschen Vergleich niedriger, da ein hoher Anteil an synthetischen Stoffen vorlag.

Synthetische Stoffe sind dabei aus zwei Gründen problematisch: Zum einen sind die künstlichen Fasern weniger langlebig als die natürlichen, wie beispielsweise Baumwolle. Zum anderen lösen sich die winzigen Fasern bei jedem Waschgang immer weiter heraus und gelangen als Mikroplastik in das Abwasser. Da Kläranlagen diese Partikel nicht herausfiltern können, landen sie zwangsläufig im Gewässer und somit in der Umwelt – und da synthetische Stoffe wie Polyester biologisch nicht abbaubar sind, bleiben sie eine lange Zeit in der Umwelt bestehen.

Auf Grundlage dieser Erkenntnisse teilten sich die Studierenden in vier Kleingruppen auf, um unterschiedliche Handlungsempfehlungen und Maßnahmen auszuarbeiten. Ausgangspunkt hierfür waren zuvor gruppenintern entwickelte Befragungen von Darmstädter Bürger*innen zur Alttextiliensammlung an Bürger*innen aus Darmstadt. Zusätzlich entwickelten die Studierenden Brandings für ihre Kleingruppen, sodass die TexCycle GmbH, die ReClothing GmbH und die Wastelife GmbH ihre Ergebnisse präsentierten. Die vierte Gruppe war am Tag der Präsentation leider verhindert.

Projektgruppe 1: TexCycle GmbH

Die erste Gruppe führte ihre Bürger*innen-Umfrage via Facebook durch. Es erfolgte die Befragung von insgesamt 64 Darmstädter*innen zu den Themengebieten Kaufverhalten von Kleidung, Wissen & Meinung zum allgemeinen Sammelsystem, Verhalten bei Entsorgung von Alttextilien sowie eine Meinungsabfrage zu innovativen Sammlungsmethoden.

Quelle: Pascale Diefenbach

Die Befragung war nicht repräsentativ, dennoch konnten die Studierenden erste Schlüsse aus den Ergebnissen ziehen. Die Mehrheit der Befragten kauft Fast-Fashion, 77 Prozent sind von Secondhand allerdings nicht abgeneigt. Ebenfalls auffällig war, dass die Befragten wenig über die Vorgänge von Alttextiliensammlungen aufgeklärt waren. Dabei sind die Verbraucher*innen diejenigen, die maßgeblich an einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft beteiligt sind. Nur wenn diese ihre Abfälle korrekt entsorgen, kann die Kleidung entsprechend recycelt werden.

Daraus ergab sich ein Maßnahmenkatalog, bestehend aus vier Kategorien und insgesamt neun Maßnahmen:

  1. Förderung des Secondhand-Angebots
    1) Verkauf in vom EAD betriebenen Secondhand-Läden
    2) Flohmärkte
    3) Kooperation mit Darmstädter Textilgeschäften
  2. Verbesserung der Kommunikation mit den Bürger*innen
    4) Neue “Versorger-App” für Darmstadt, die Bürger*innen über den Füllstand der Container informiert
    5) Öffentlichkeitsarbeit des EAD optimieren/ausbauen
  3. Änderung des Sammlungssystems
    6) Alttextilientonne für jeden Haushalt
    7) Alttextilienabgabe im Supermarkt
  4. Optimierung der bestehenden Container
    8) Neue Beklebung
    9) Sammelcontainer mit Füllstandmessung

Als Handlungsempfehlungen legten die fünf Gruppenmitglieder sieben Kriterien fest, die die Maßnahmen in Form des Schulnotensystems bewerteten. Als besonders sinnvoll erwiesen sich das Anbringen einer aussagekräftigeren Beklebung, mehr Secondhand-Läden und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Prüfung von innovativen Sammlungssystemen und Containersammlungen.

Projektgruppe 2: ReClothing GmbH

Die zweite Gruppe führte ihre Umfrage über Ebay Kleinanzeigen und in der Innenstadt im Herrngarten durch. Insgesamt wurden zwischen Juni und Juli 2021 70 Teilnehmer*innen 19 Fragen aus insgesamt fünf Kategorien gestellt.

Über einem Viertel der Befragten war die kommunale Alttextiliensammlung unbekannt. Zusätzlich herrschte ein negatives Image in der Alttextiliensammlung.

Die Kritikpunkte auf einen Blick:

  • Verbrennung und Zerstörung von Alttextilien
  • Verschiffung in andere Länder
  • verdreckte Standorte
  • Wunsch nach mehr Öffentlichkeitsarbeit

Bei den Maßnahmen unterschied die ReClothing GmbH drei Zeitdimensionen:

  1. kurzfristige Maßnahmen (für die nächsten fünf Jahre): Dazu gehören die Aktualisierung der Website des EAD und der Standortkarte, die Nutzung von sozialen Netzwerken sowie die Überprüfung von gewerblicher Sammlung.
  2. mittelfristige Maßnahmen (für die nächsten 15 Jahre): Dazu gehören die getrennte Erfassung von tragbaren und nicht (mehr) tragbaren Alttextilien, ein neues Containerdesign, um diese behindertengerecht (mit z.B. Blindenschrift) zu gestalten und die Optimierung von bestehenden Apps. Zurzeit bietet der EAD eine Abfallkalender-, eine Container- sowie eine Kundenportal-App an.
  3. langfristige Maßnahmen (über 15 Jahre hinaus): Diese beziehen sich mehr auf die Digitalisierung. Hierbei sollen die Container interaktiver gestaltet (z.B. Sprachfunktion) und die App erweitert werden. Zusätzlich empfiehlt die ReClothing GmbH die Schaffung von rollstuhlgerechten Containern.

Die Handlungsempfehlungen dieser Gruppe sind mehr auf die Kommunikation fokussiert. Dabei solle sich der EAD öffentlich wirksamer präsentieren. Dazu gehören Digitalisierung, Öffentlichkeitsarbeit mit Fokus auf Ansprechmöglichkeiten und die Herstellung eines persönlichen Bezugs zur Alttextiliensammlung. Ein konkretes Beispiel hierfür war ein Designwettbewerb der Container, an dem Schüler*innen teilnehmen können.

Projektgruppe 3: Wastelife GmbH

Die dritte Gruppe bewertete die Ergebnisse der Bestands- und Sortieranalyse des aktuellen Konzepts zur Altkleiderentsorgung und legte den Fokus auf sensibilisierende Maßnahmen.

Zielsetzung war es, die Aufmerksamkeit jener Personen zu gewinnen, die ihre alte Kleidung bisher nicht sortiert in Alttextiliensammlungen abgeben. Dafür ist eine aktive Öffentlichkeitsarbeit unter Zuhilfenahme unterschiedlicher Medien sinnvoll. So könnten kurz- und mittelfristige Maßnahmen ohne großen Budgetrahmen umgesetzt werden.

Daraus entstanden fünf Maßnahmenideen:

  1. Soziale Netzwerke spielen eine bedeutende Rolle als Informationsquelle, da sie insbesondere junge Menschen erreichen. So könnte die Reichweite erhöht und die Informationsvermittlung zeitgemäßer gestaltet werden. Wichtig sei hierbei, dass die Plattformen regelmäßig mit zielgruppenspezifischen Inhalten bespielt werden.
  2. Ein Chatbot stellt eine Anwendung dar, die durch eine Künstliche Intelligenz funktioniert. Dieser entlaste EAD-Beschäftigte, da eine Messenger-Kommunikation für Bürger*innen ohne Personalaufwand ermöglicht werde. Die Wastelife GmbH empfiehlt, diesen Chatbot auf alle anderen Abfallfraktionen des EAD zu erweitern.
  3. Ein QR-Code solle auf die umgestaltete Website des EAD zum Thema Alttextilien verweisen. Das Anbringen eines QR-Codes an die Container sei dabei ein geringerer Aufwand als diese komplett neu zu gestalten. So seien die Inhalte auch wandelbar, da Informationen einfach angepasst und aktualisiert werden können. Zusätzlich bestehe die Möglichkeit, Mängel oder Beschwerden zu melden.
  4. Fremdsprachenflyer sollen auch fremdsprachliche Bürger*innen über eine korrekte Altkleiderentsorgung informieren können.
  5. Durch einen Sensibilisierungsfilm können Bürger*innen auf audiovisuellem Weg informiert werden. Inhaltlich ist die Verknüpfung zweier Hauptprobleme möglich: Zum einen Fast-Fashion als Kernproblem, zum anderen spezifische Entsorgungsprobleme in Darmstadt.

Fazit & wie es weitergeht

Neben potenziellen Verbesserungsvorschlägen an den EAD als Vertreiber, haben die Studierenden auch Probleme auf der Seite der Verbraucher*innen aufgedeckt. Sei es die fehlende Aufklärung zur korrekten Entsorgung oder Schwierigkeiten mit Littering. Zusätzlich bestätigte sich, dass die Qualität der Sammelware seit 2012 stets abnimmt.

Die Studierenden haben vor allem im Bereich der Kommunikation Denkanstöße an den EAD gegeben. Die Repräsentant*innen des Unternehmens schienen mit den Ergebnissen sehr zufrieden zu sein. Auch Prof. Dr. Iris Steinberg bedankte sich beim EAD für die Offenheit, erneut mit der Hochschule zusammenzuarbeiten und nach langer Zeit wieder ein gemeinsames Projekt in Präsenz umsetzen zu können.

Was die Alttextilienbehandlung in Deutschland insgesamt betrifft, soll 2025 die EU-Abfallrahmenrichtlinie umgesetzt werden, die eine europaweite Getrennterfassung von Alttextilien fordert. Zusätzlich beinhaltet diese Richtlinie ein “Regime der erweiterten Herstellerverantwortung”. Dahinter verbirgt sich ein “Bündel von Maßnahmen, die von Mitgliedstaaten getroffen werden, um sicherzustellen, dass die Hersteller der Erzeugnisse die finanzielle Verantwortung oder die finanzielle und organisatorische Verantwortung für die Bewirtschaftung in der Abfallphase des Produktlebenszyklus übernehmen”, heißt es in der Richtlinie.

Darüber hinaus:

Für weitere Informationen zu den Entwicklungen im Bereich der Altkleider in Deutschland, lohnt sich der Blick auf die Website von FairWertung, dem Dachverband des bundesweiten Netzwerks von gemeinnützigen Organisationen, die Altkleider sammeln.

Über ein weiteres Projekt von Studierenden der h_da zum Thema Textilrecycling haben wir ebenfalls auf unserem Blog berichtet. Hier geht’s zum Blogbeitrag Engagement für nachhaltiges Textilrecycling.

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