Lars Rademacher unterrichtet Onlienkommunikation an der Hochschule Darmstadt und ist Experte für Corporate Social Responsibility und NGO. Ein Gespräch über Schnittstellen von Journalismus und PR, mit welchen Mitteln man den Gedanken der Nachhaltigkeit kommuniziert und ihn in der eigenen Hochschule stärkt.
Herr Rademacher, aus vertraulichen Quellen wissen wir, dass Sie in Ihrem Studiengang recht beliebt sind – woran liegt das?
Oh Gott (lacht). Ich versuche weder mich noch die Situation zu ernst zu nehmen. Neulich fiel jemandem in der Vorlesung eine Gurkenscheibe aus dem Brötchen und er hatte sich nicht darum gekümmert, diese auch zu entsorgen. Ich habe diese Gurkenscheibe dann in den Unterricht mit eingebaut und bin immer wieder darauf zurückgekommen. Vielleicht sind es auch solche Sachen. Ich kann nicht genau sagen woran es liegt, aber es freut mich, wenn es so gesehen wird.
Sie haben in jungen Jahren auch als Journalist gearbeitet – was hat Sie dazu gebracht, die Seite zu wechseln und jetzt in der PR-Branche tätig zu sein?
Nun, heute arbeite ich ja gar nicht mehr wirklich in der PR, sondern bilde junge Menschen aus, die dort arbeiten wollen. Als ich selbst einstiegt, habe ich allerding einen fachlichen Irrtum begangen. Je mehr ich von PR wusste, desto mehr habe ich mir eingebildet, der PR Mann steht im Prozess der Entwicklung von Nachrichten einen Schritt vor dem Journalisten. Ich dachte, in der PR könnte ich dem Journalisten sagen, was er schreiben soll. Das war ein großer Irrtum. Der PR Manager kann nur zu Themen beisteuern, die eine gewisse Relevanz haben. Im Endeffekt war es dann so, dass der Journalist gesteuert hat, was attraktiv war und ich hatte mich danach zu richten. Das habe ich dann erst im Job gemerkt.
Die Aufgabe der PR wäre es, im Kontext von Nachhaltigkeit dem Einzelnen klar zu machen, welche Rolle er in dem ganzen Spiel hat und das er nicht nur Verantwortung übernehmen muss, sondern auch Einfluss nehmen kann. Die Leute sehen sich ja gerne als weitestgehend ohnmächtig und sagen gerne „die anderen müssen … sollen …“. Sie begründen diese Ohnmacht auch damit, dass man ja selber als Einzelner nichts verändern kann. Schaut man sich aber an, was Einzelne beispielsweise auf Enthüllungsplattformen verändert haben und reflektiert, wie einfach Gruppenbildung heutzutage funktioniert, dann ist das natürlich ein Scheinargument. Heute gibt es online die Möglichkeit, Gleichgesinnte zu einem Thema zu finden. Das war nie so einfach. Man muss den Menschen klarmachen, dass sie einerseits nicht ohnmächtig sind und andererseits mehr Macht haben als sie glauben. Man kann sich immer auch anders verhalten. Das fängt beim Plastikmüll und der Plastiktüte an. Wir haben lange gebraucht, bis da 20 Cent drauf gekommen sind.
Welche Mittel hat die PR, um dieses Thema zu kommunizieren?
In dem Moment, in dem ich eine Verhaltensänderung will, komme ich um dialogische Instrumente nicht herum, ob diese nun online oder offline sind. Man muss Dialoge und Feedback ermöglichen. Ich kann ein Forum einrichten oder Veranstaltungen mit Bürgern machen. Ich muss eigentlich immer wieder Kommunikationsangebote geben. Es reicht nicht, einen Flyer irgendwo hinzulegen und zu sagen: Verhaltet euch so! In Unternehmen, die kritisch sind, werden sogar Trainings angeboten. Trainings sind die höchste Steigerungsform eines dialogischen Verhaltens. Ich rede nicht nur darüber, sondern ich sage auch: „Komm, ich zeig dir wie es geht. Wir machen das jetzt zusammen“. Die Idee dieses Trainings ist, den Leuten zu zeigen, welche Handlungserfolge sie erzielen können. Es geht um Dialog, Rückfragen, Feedback und darum, der Person ein Angebot für ein bestimmtes Ziel zu machen und ihnen im Sinne eines Trainings dabei zu helfen, dieses Ziel auch zu erreichen. Das halte ich für ein Mittel der höchsten Qualität.
Ist so ein Training für alle Altersgruppen geeignet? Zum Beispiel auch für Kinder?
Absolut. Da haben sie ja den großen Vorteil bei Kinder und Jugendlichen, die haben noch viel mehr Idealismus. Es ist das Problem, dass wir gesellschaftlich diesen Idealismus Stück für Stück kleiner machen. Reinhard Mey sagt in einem Lied: Als Kinder sind wir am größten, weil unsere sozialen Einschränkungen so gering wahrgenommen werden. Mit Kindern kann man demnach spielerische Trainings machen. Heute ist eher das Problem, dass man ältere Menschen mit Mühe von dem Gedanken der Nachhaltigkeit überzeugen muss. Senioren finden das dann wiederum toll, wenn sie in eine Situation, in der sie spielen und sich dabei ausprobieren dürfen, trainieren und üben können. Das hängt jedoch stark mit der deutschen Fehlerkultur zusammen. Wir sind an Regeln gebunden, wenn wir Fehler machen, dann ist das schlecht. Deshalb sind Menschen meist froh, wenn sie in Situationen des Trainings einfach mal ausprobieren können und dabei auch scheitern dürfen.
Achten Sie auch privat auf Nachhaltigkeit im Allgemeinen?
Ja, natürlich. Das Flugzeug versuche ich nur dann zu nutzen, wenn es unbedingt notwendig ist. Ich nutze erneuerbare Energien und wähle meinen Stromtarif danach aus (obwohl auch bei mir nur ein Strommix aus der Steckdose kommt ). In meinen eigenen Arbeiten, in Forschung und Lehre, versuche ich auch meine Studenten stärker in die Richtung der nachhaltigen Entwicklung zu führen. Jetzt gibt es gerade auch eine neue Initiative „Nachhaltige Entwicklung“ an der Hochschule, an der ich mich beteilige.
Wo Sie gerade die Hochschule nennen – wie nachhaltig ist die Hochschule Darmstadt? Gerade wenn man sich die ungenutzten Grünflächen am Campus Dieburg anschaut – könnte man diese nicht sinnvoller nutzen?
Da gebe ich Ihnen Recht. Die Frage ist nur, in welcher Reihenfolge man was macht. Jetzt gerade setzen wir am Bewusstsein der Hochschule an und versuchen das gezielt zu fördern. Unser Ideal wäre es, dass wir in den nächsten fünf Jahren dieses Bewusstsein für Nachhaltigkeit soweit stärken können, dass wir verschiedene Kernwerte integriert haben und diese von Mitarbeitern und auch Studenten benannt werden können. Sodass dann alle sagen, an der und der Stelle verfolgen wir ein Profil, in dem Nachhaltigkeit einen zentralen Stellenwert hat.
Können Sie Beispiele nennen? Wie kann man sich das konkret vorstellen?
Das beginnt mit der Abfallentsorgung und geht weiter mit dem Umgang mit den üblichen Ressourcen, wie Wasser und Heizkosten. Man sieht ja auf den ersten Blick, dass das Gebäude am Campus Dieburg energetisch anders saniert werden müsste – nur ist das angesichts der Denkmalschutzbestimmungen nicht leicht. Es gib auch einen immensen Investitionsstau. Wichtig sind aber auch Forschungsprojekte, die sich um nachhaltige Entwicklung kümmern. All solche Dinge können umfassend die Idee von Nachhaltigkeit fördern.
Interview: Angelika Watta und Sophia Schlehdorn
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Dieses Interview ist im Rahmen eines Lehrprojektes von Prof. Dr. Torsten Schäfer im Studiengang Onlinejournalismus entstanden. Es erschien zuerst auf gruener-journalismus.de.
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