An der Hochschule sollten Abfälle getreu dem Motto „der beste Abfall ist der, der erst gar nicht entsteht“ vermieden werden, denn eine konsequente Abfallvermeidung schont Ressourcen und diese werden aktuell immer knapper. Dieses Prinzip soll im Hochschulalltag noch stärker verankert werden und zwar mit der Kreislaufwirtschaftskampagne.
Häufig ist es gar nicht so einfach zu entscheiden, wie Abfall richtig zu trennen ist, damit dieser zuverlässig im Sinne der Kreislaufwirtschaft wiederverwendet werden kann. Im Folgenden soll ein Fall, der Konsumierenden schwer zu fallen scheint, genauer betrachtet werden: der 3-Komponenten-Joghurtbecher.
In einem Interview erklärt Prof. Dr. Iris Steinberg was passiert, wenn Müll falsch sortiert wird und wie man ihn richtig entsorgen sollte.
Nachhaltigkeitsblog: Wieso besteht ein Joghurtbecher denn überhaupt aus drei und nicht einfach aus einer Komponente?
Prof. Dr. Iris Steinberg: Für den Korpus wurde dünner Kunststoff genommen, da dieser gut recycelbar ist und um dabei für Stabilität zu sorgen kommt die Papiermanschette um den Kunststoffbecher drum rum. Der Deckel des Joghurtbechers soll das Produkt luftdicht schützen und stellt eine Barriere zur Umgebung dar. Zudem soll der Deckel zu Werbe- und Informationszwecken gut bedruckbar sein und all das kann ein Aluminiumdeckel sehr gut, wobei er zudem gut recycelbar ist , daher wurde sich für dieses Material entschieden.
Nachhaltigkeitsblog: Wie sollte ein Joghurtbecher denn richtig getrennt werden?
Prof. Dr. Iris Steinberg: Es gilt, die einzelnen Komponenten getrennt zu entsorgen, also das Papier beispielsweise in den Papiermüll und den Kunststoffbecher nicht in denselben Müll wie das Papier, sondern in die entsprechende Tonne. Häufig steht auch in der Papiermanschette des Joghurtbechers selbst eine Anleitung zur richtigen Entsorgung.
Nachhaltigkeitsblog: Morgens im Stress wird der 3-Komponenten-Joghurtbecher jetzt einfach als Ganzer entsorgt. Was passiert jetzt?
Prof. Dr. Iris Steinberg: Wenn die einzelnen Komponenten des Joghurtbechers nicht voneinander getrennt werden, können sie in den Sortieranlagen nicht mehr richtig recycelt werden und die Rohstoffe gehen verloren. Der Ablauf sieht dann wie folgt aus:
Der Joghurtbecher kommt über Transportwege in eine Sortieranlage. Hier in Darmstadt wäre das die Sortieranlage für Leichtverpackungen in Gernsheim der Firma Meilo. Anfangs werden die Teile in einem langsam laufenden Zerkleinerer aufgeschlossen, Materialverbünde gelöst. Anschließend läuft der 3-Komponenten-Joghurtbecher über verschiedene Trennstufen, zum Beispiel über Siebe, damit der Materialstrom etwas aufgeteilt werden kann. Es folgt der Nahinfrarot-Trenner (NIR). Mit einem Laserstrahl taxiert dieser in wahnsinnig schneller Geschwindigkeit das Material, scannt es und erzeugt ein Spektrum. Die Maschine kennt Spektren bekannter Materialien und weiß, wie zum Beispiel Papier aussieht. Wenn der Joghurtbecher nun ungetrennt, also mit der Papiermanschette drumherum zum NIR gelangt, erkennt dieser nur das Material außen, nicht den Kunststoff unter dem Papier. Daraufhin kommt der Joghurtbecher ans Ende des Förderbandes und wird mit einem Luftdruckstoß zur Papierabteilung befördert. Der Becher geht nun ins Papierrecycling, wobei er hier nun zerkleinert wird. Dabei entsteht jedoch lediglich ein Brei aus allen Materialien, welcher nicht das gewünschte Ergebnis darstellt.
Nachhaltigkeitsblog: Welche Probleme können dabei in der Sortieranlage selbst entstehen?
Prof. Dr. Iris Steinberg: Durch das Nicht-trennen von Komponenten kann es in den Sortieranlagen zu Material-Kreisläufen kommen, die sowohl einen Energieverlust als auch enorm hohe Kosten mit sich bringen. Es gibt mehrere Nahinfrarot-Trenner (NIR) in einer Anlage. Wenn der erste NIR zum Beispiel besagt, dass es sich um Papier handelt, der zweite NIR jedoch entscheidet, dass es sich doch um Kunststoff handelt entsteht womöglich ein Kreislauf, sodass Materialien in der Anlage plötzlich im Kreis gefahren werden könnten. Dabei können die Maschinen schlechter arbeiten und sowohl Reinheit als auch Qualität des Recyclings laufen Gefahr, negativ beeinflusst zu werden. Dies führt unter anderem zu einem Energieverlust. Außerdem funktionieren Nahinfrarot-Trenner mit Druckluft, wobei jeder Stoß den Betreibenden viel kostet. Wenn der Nahinfrarot-Trenner eine Produktverpackung nun mehrfach analysieren muss, kommt es hier zu extrem hohen Kosten.
Nachhaltigkeitsblog: Was können wir als Abfallerzeuger:innen tun?
Prof. Dr. Iris Steinberg: Wir können helfen, indem wir die Hinweise genau befolgen, die zum Beispiel in der Innenseite des Joghurtbechers stehen und die Komponenten klar trennen und richtig entsorgen. In dem Moment, in dem wir als Erzeuger:in das Produkt nicht vorgetrennt haben, kann die Maschine in der Sortieranlage die Komponenten nicht mehr richtig trennen. Wenn das Papier vom Joghurtbecher abgemacht und in den Papiermüll entsorgt wird, erkennt die Maschine in der Trennungsanlage, dass es sich um den Kunststoff Polypropylen handelt und kann dies dann richtig einordnen. Dies funktioniert aber nur, wenn wir alle mitmachen, denn dies kann keine Anlage lösen! Da sitzt keiner, der die Komponenten noch auseinanderreißt. Dies gilt nicht nur für den 3-Komponenten-Joghurtbecher, sondern für jede Verpackung, die aus mehreren Komponenten besteht. Beispielsweise bei einem Waschmittel, wobei der Deckel abgeschraubt, die äußere Plastikfolie abgezogen und auch der Waschmittelbehälter selbst entsorgt werden sollten.
Ich sage immer: Alles was ich zu Hause ohne große Verletzungsgefahr selbst irgendwie auseinanderreißen kann führt dazu, dass ich schon vorsortiert habe und die Qualität in der Anlage ist dementsprechend hoch. Wir sind die ersten in Sachen Qualitätssicherung und können einen sehr sehr großen Beitrag leisten. Wir entscheiden eigentlich, welchen Weg das Material nimmt.
Nachhaltigkeitsblog: Und muss sonst noch etwas beachtet werden vor dem Entsorgen?
Prof. Dr. Iris Steinberg: Joghurtbecher und Co. müssen nicht großartig gereinigt werden, also nicht mit Wasser, Spüli und so weiter, denn dann geht die Ökobilanz ganz schnell in die andere Richtung und wir haben einen hohen Wasserverbrauch. Wenn der Becher zum Beispiel verschimmelt ist wegen den Joghurtresten darin, dann gehört ein solcher Becher eher in den Restmüll, auch aus Gründen des Schutzes für die Menschen, die in solchen Sortieranlagen arbeiten. Als kleiner Hinweis kann sich gemerkt werden: 3-K für drei Komponenten ist gleich dreimal (k)lever sortiert (schmunzelt).
Nachhaltigkeitsblog: Ich habe etwas von Intelligenten Fehlwürfen gehört; was hat es denn damit auf sich?
Prof. Dr. Iris Steinberg: In den 80er und 90er Jahren stiegen die Mengen an Verpackungsabfällen so stark an, dass der damalige Umweltminister meinte, dass die Unternehmen, die Verpackungen „inverkehrbringen“, sich auch um die richtige Entsorgung kümmern sollten. Daraufhin wurden die Dualen Systeme gegründet, wie beispielsweise der Grüne Punkt, welche dafür verantwortlich sind, dass Verpackungen ordnungsgemäß entsorgt werden. Die Konsumierenden wissen dies vielleicht häufig nicht, aber beim Kauf eines Produktes, wie beim 3-Komponenten-Becher, zahlen sie bereits für diese ordnungsgemäße Entsorgung. Im Jahr sind dies pro Person knapp 20 Euro. Wenn jetzt jemand eine Plastikschüssel, die kaputt ist, in den gelben Sack wirft, dann handelt es sich um einen sogenannten intelligenten Fehlwurf: Die Schüssel ist zwar aus Kunststoff, aber keine Verpackung und gehört damit nicht in den gelben Sack. Sie gehört nämlich nicht zu den bezahlten Verpackungen, es wurde beim Kauf also nichts für die Entsorgung bezahlt und sie müsste daher in den Restmüll geworfen werden und wird dann thermisch verwertet, aber nicht stofflich recycelt. Um diese „stoffgleichen Nichtverpackungen“ dennoch einem Recycling zuzuführen, können Städte und Kommunen sogenannte „Wertstofftonnen“ aufstellen, die neben den Verpackungen auch die stoffgleichen Nichtverpackungen erfassen.
Nachhaltigkeitsblog: Inwiefern unterscheidet sich schwarzer Kunststoff von anderen Kunststoffarten?
Prof. Dr. Iris Steinberg: Schwarze Kunststoffe, die in der Regel mit Ruß gefärbt sind, können mit Nahinfrarot-Trenner nicht detektiert werden und weitere Systeme, die dies erkennen können, sind erforderlich und kosten zusätzlich Geld. Solange es solche Produkte auf dem Markt gibt, können wir als Nutzende und dann Abfallerzeuger:innen hierbei ganz einfach entscheiden, dass wir auf schwarzen Kunststoff verzichten und Alternativen kaufen. Die Entsorgungsbranche kann sich zwar immer neue Trennmöglichkeiten überlegen, aber es wird dann eben immer teurer, auch für uns alle, denn wir zahlen ja ebenfalls für die ordnungsgemäße Müllentsorgung.
Nachhaltigkeitsblog: Gibt es noch etwas, was Sie unseren Leser:innen in Sachen Abfalltrennung mitgeben möchten?
Prof. Dr.-Ing. Iris Steinberg: Wenn sich die Möglichkeit bietet, einmal eine Leichtverpackungssortieranlage besuchen zu können, dies unbedingt wahrnehmen. Allein die großen Volumina an Verpackungen, die dort meist rund um die Uhr verarbeitet werden, und zu sehen, welche Verpackungen wirklich für ein Recycling abgetrennt werden können, bleiben eindrücklich in Erinnerung und wirken beim Kauf bzw. der Entsorgung von Verpackungen nach.
Nachhaltigkeitsblog: Vielen Dank für diese abschließende Empfehlung und das spannende Interview!
Prof. Dr. Iris Steinberg: Sehr gerne!
Weitere Infos…
… gibt es auf der Website der Hochschule Darmstadt sowie dem Instagramaccount vom Green Office.
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