0 In Lehre, Forschung & Transfer

Klimaanpassung im Fokus: Erkenntnisse aus der Ringvorlesung der h_da

Quelle: Anna Breuer/h_da

Dürren, Überschwemmungen, Hitzewellen. Im Jahr 2023 wurde erstmals die kritische 2,0 °C-Marke überschritten, während Deutschland bereits sechs sogenannte „Jahrhundertfluten“ innerhalb von zwei Jahrzehnten erlebt hat. Obwohl die Dringlichkeit für Klimaschutz weiter besteht, rückt eine Frage immer stärker in den Fokus: Können wir uns an eine Welt anpassen, die sich in rasantem Tempo verändert? Und wenn ja, wie?

Mit diesen Fragen setzte sich die Ringvorlesung „Herausforderung: Nachhaltige Entwicklung“ an der Hochschule Darmstadt (h_da) im Wintersemester 2024/25 auseinander. Im Mittelpunkt stand dabei das Schwerpunktthema Klimaanpassung. Neben den fundierten fachlichen Einblicken bot das begleitende Seminar Raum für den Praxisbezug. Hier entwickelten Studierende konkrete Hitzeschutzkonzepte für soziale Einrichtungen und verknüpften so wissenschaftliche Erkenntnisse mit gesellschaftlicher Relevanz.

Die Ringvorlesung im Überblick

Organisiert vom Interdisziplinären Studienbereich Sozial- und Kulturwissenschaften in Kooperation mit dem Studienfeld Nachhaltige Entwicklung, richtete sich die Ringvorlesung nicht nur an Studierende aller Fachbereiche, sondern auch an die interessierte Öffentlichkeit. In wöchentlichen Vorträgen beleuchteten Expert:innen das Thema Klimaanpassung aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Themen reichten von den grundlegenden Voraussetzungen über technische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen bis hin zu spezifischen Anpassungsmaßnahmen in Darmstadt und an der h_da. Im Begleitseminar, das Studierende ergänzend zur Vorlesung besuchen konnten, arbeiteten sie an Projekten, die in der letzten Sitzung im Rahmen einer Abschlusspräsentation vorgestellt wurden.

Das Lernziel – Zusammenhänge erkennen und handlungsfähig werden

Das Lernziel war nicht nur, die einzelnen fachlichen Beiträge zu verstehen, sondern sie in einen größeren, gemeinsamen Kontext einzuordnen. Dabei stand weniger die Entwicklung technischer Lösungen im Mittelpunkt als vielmehr die gesellschaftlichen Perspektiven der Klimaanpassung. Es ging darum, den Handlungsspielraum für eine erfolgreiche Anpassung zu erkennen, die notwendigen Rahmenbedingungen zu verstehen und so die eigene Handlungsfähigkeit zu stärken. Besonders das Begleitseminar bot Gelegenheit, diese Verknüpfungen herzustellen und interdisziplinäre Zusammenhänge zu erkennen.

Das Begleitseminar – Studierende entwickeln Hitzeschutzkonzepte

Kinder und Menschen mit Behinderung gehören zu den Gruppen, die besonders unter hohen Temperaturen leiden, da ihre Körpertemperaturregulation oft eingeschränkt ist. Sei es, weil die Schweißproduktion noch nicht vollständig entwickelt ist, gesundheitliche Einschränkungen die Regulierung der Körpertemperatur erschweren oder weil sie sich durch eingeschränktes Bewusstsein nicht immer selbstständig schützen können.

Sie sind besonders auf äußere Hilfe und Fürsorge angewiesen, weshalb im Begleitseminar der Ringvorlesung Hitzeschutzkonzepte für zwei Kindertagesstätten und eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung erarbeitet wurden. Drei Studierendengruppen führten dazu zunächst Bestandsaufnahmen und Betroffenheitsanalysen vor Ort durch, um anschließend gezielte Schutzmaßnahmen zu entwickeln.

„Im Begleitseminar konnten wir einige Inhalte aus der Ringvorlesung direkt anwenden, indem wir ein eigenes Klimaanpassungskonzept für soziale Einrichtungen in Darmstadt entwickeln durften. Besonders motivierend fand ich, dass wir an einem konkreten Praxisbeispiel arbeiten konnten und das Konzept tatsächlich von einer Einrichtung genutzt werden kann […]“, berichtet eine Studentin des Studiengangs Risikoabschätzung und Nachhaltigkeitsmanagment(RASUM).

Die drei Projekte werden im Folgenden vorgestellt:

 Projekt 1: UniKITA Darmstadt e.V.

Die UniKITA verfügt über einen Standort an der Lichtwiese und einen im Martinsviertel und betreut insgesamt 70 Kinder. Aufgrund der starken Wärmeentwicklung in den Räumlichkeiten erarbeiteten die Studierenden gezielte Hitzeschutzmaßnahmen für den Kita-Alltag sowie für die Innen- und Außenbereiche der Einrichtung.

Die Hitzeschutzmaßnahmen im Überblick:

Am Gebäude kann Hitze durch Rollläden, gezieltes Lüften und Ventilatoren reduziert werden. Sonnenschutz bieten außerdem Sonnensegel und Bäume. Auch die Verbesserung der Schlafbedingungen trägt zur Entlastung bei.

Im Alltag helfen leichte Kleidung, ausreichendes Trinken und eine angepasste Ernährung, mit Hitze umzugehen. Abkühlung durch Wasser und ein Hitze-Notfall-Plan sind ebenfalls wichtig. Schulungen, Spiele und Informationsangebote sensibilisieren Kinder, Eltern und Kitapersonal.

 Konkrete technische Lösungen in der Krabbelgruppe Wirbelwind:

 Abbildung 1: Technische Lösung für den Außenbereich der UniKITA Darmstadt ev. (Quelle: Auszug aus der Abschlusspräsentation der Studierendengruppe)

Projekt 2: Spatzennest Hofheim

Die Kindertagesstätte Spatzennest in Hofheim ist ein altersgemischter Kindergarten mit 40 Kindern. Sie befindet sich in einem Wohnhaus aus den 1940er Jahren, das kaum an die veränderten klimatischen Bedingungen angepasst ist. Die unzureichende Isolierung der Wände, eine zu kleine mobile Klimaanlage und fehlender Sonnenschutz an den Fenstern führen dazu, dass sich die Räume im Sommer stark aufheizen.

Obwohl das Außengelände der Kita über viele Bäume verfügt, gibt es auch größere versiegelte Flächen und ein unzureichendes Regenwassermanagement. Dadurch ist die Vegetation unzureichend auf Extremwetterereignisse vorbereitet, was die Anfälligkeit für Schädlingsbefall und Krankheiten erhöht.

Die Hitzeschutzmaßnahmen im Überblick:

Um die Temperaturen in den Innenräumen zu senken, empfehlen die Studierenden reflektierende Rollos und Sonnenschutzfolien an den Fenstern, eine Fassadenbegrünung sowie eine leistungsstärkere Klimaanlage. Zusätzlich sollen Deckenventilatoren im Schlafraum unter dem Dach für eine bessere Luftzirkulation sorgen.

Für den Außenbereich schlagen die Studierenden unter anderem den Einbau einer Zisterne mit teils ober- und unterirdischem Wasserlauf vor. Diese Maßnahme würde nicht nur strukturelle Schäden am Fundament und den Verlust von Spielsand verhindern, sondern auch eine nachhaltige Bewässerung der Bäume während trockener Sommer gewährleisten.

Pädagogische Maßnahmen zielen darauf ab, Kinder, Mitarbeitende und Eltern für das Thema Klimaanpassung zu sensibilisieren. Spielerische Projekte, Workshops für Mitarbeitende sowie Infoabende und gemeinsame Aktionen mit Eltern fördern Wissen, Akzeptanz und klimabewusstes Verhalten.   

Abbildung 2: Maßnahmen für den Außenbereich des Spatzennest Hofheim (Quelle: Auszug aus der Abschlusspräsentation der Studierendengruppe)

Projekt 3: Dieburger Werkstätten der Nieder-Ramstädter Diakonie

Die Dieburger Werkstätten sind anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) und bieten 160 Menschen mit geistiger, körperlicher oder psychischer Behinderung Arbeitsplätze in verschiedenen Tätigkeitsbereichen, angepasst an ihre Fähigkeiten und Interessen.

Das Gebäude stammt aus den 1980er Jahren und ist ein ehemaliges Industriegebäude mit großen Fensterfronten, fehlender Klimaanlage und mangelhafter Isolierung. Zudem ist der Innenhof ungeschützt, was die Beschäftigten besonders anfällig für Hitze macht.

Kurzfristige Maßnahmen für die Werkstätten:         

Da das Gebäude in den nächsten zehn Jahren abgerissen werden soll und das Budget begrenzt ist, entwickelten die Studierenden kostengünstige, kurzfristige Maßnahmen zum Hitzeschutz. Dazu zählen Fensterfolien, Sonnensegel im Innenhof, Sensibilisierung der Beschäftigten sowie Rasengitter zur besseren Regenwasserversickerung und Barrierefreiheit.

Abbildung 3 und 4: Maßnahmen für den Außenbereich der Dieburger Werkstätten (Quelle: Auszug aus der Abschlusspräsentation der Studierendengruppe)

Fazit

Die Ringvorlesung „Herausforderung: Nachhaltige Entwicklung“ hat verdeutlicht, dass Klimaanpassung weit mehr bedeutet als nur technische Lösungen zu finden. Sie erfordert ein tiefes Verständnis für die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die Bedürfnisse besonders vulnerabler Gruppen. In den praxisorientierten Projekten haben Studierende konkrete Maßnahmen für soziale Einrichtungen entwickelt, die nicht nur auf technologische Innovationen, sondern auch auf Sensibilisierung und Aufklärung abzielen. Letztlich wurde klar, dass es effektive Lösungen gibt, sie erfordern jedoch ein tiefes Verständnis für die spezifischen Bedürfnisse der Menschen sowie die Bereitschaft der betroffenen Gruppen, bestehende Strukturen anzupassen.

Luna Chakrabarty, aus dem Studiengang Risikoabschätzung und Nachhaltigkeitsmanagment (RASUM), fasst treffend zusammen: „Durch die Ringvorlesung erhielt ich interessante Einblicke in das Themenfeld Klimaanpassung aus verschiedenen Perspektiven. Es war eine Bereicherung für alle Beteiligten, mit diesem Wissen auf die Herausforderungen sozialer Einrichtungen eingehen zu können.”

Alle Themen, Referent:innen und einige Videomitschnitte der einzelnen Vorlesungen sind online verfügbar. Auch in diesem Jahr wird es wieder eine Ringvorlesung geben und wir freuen uns darauf, sowohl bekannte als auch neue Gesichter begrüßen zu dürfen. Wir sind schon gespannt auf das diesjährige Thema!

Autorinnen:

  • Lisa Usinger (Studentische Mitarbeiterin im Green Office, Schwerpunkt Kommunikation)
  • Jana Deeg (Praktikantin im Green Office)

Das könnte dich auch interessieren

Keine Kommentare

Hinterlasse eine Antwort