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Neue Impulse für die Wärmewende?

Gebäude und Wärme – das ist ein zentrales Handlungsfeld, wenn man die Klimaschutzziele erreichen will. Bislang blieben die Potentiale, die im Gebäudebestand liegen, aber weitgehend ungenutzt. Notwendig sind daher neue Rahmenbedingungen. Hier tut sich einiges:
Dazu zählen die vor Kurzem beschlossenen Gesetze aus dem „Osterpaket“ der Bundesregierung, die damit auch einige Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag umsetzen. Hinzu kommt das „Fit-for-55-Paket“ der Europäischen Kommission, wozu u.a. die Energieeffizienz-Richtlinie der EU zu ändern ist.
Gemeinsames Ziel ist dabei, die Dekarbonisierung im Wärmesektor effizienter zu gestalten und den Wettbewerb stärker zu fördern. Folgender Beitrag erläutert die anstehenden Änderungen und wie sich diese auf den Wärmesektor auswirken.

Das „Osterpaket“ 2022 – seit Juli Gesetz

Gesetzesänderungen und neue Entwürfe auf rund 600 Seiten – das umfasste das vor Ostern vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vorgelegte Gesetzespaket, welches der Deutsche Bundestag am 24. Juni 2022 verabschiedet und am 7. Juli 2022 in der finalen Fassung angenommen hat. Es ist laut der Bundesregierung die größte Gesetzesnovelle seit Jahrzehnten. Es soll die Nutzung der erneuerbaren Energien stärker vorantreiben und damit auch den Ausbau der EE-Anlagen auf dem Land und auf der See steigern. Die Bundesregierung definiert hierzu folgende strategische Ziele:

  • Den Bruttostromanteil an erneuerbaren Energien bis 2030 auf 80 % steigern;
  • Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduzieren;
  • Klimaerwärmung auf 1,5 Grad begrenzen;
  • Bis 2035 eine nahezu treibhausgasneutrale Stromerzeugung erzielen.

Das Paket umfasst folgende Gesetze: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG), das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG), das Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) sowie weitere Gesetze und Verordnungen im Energierecht.Auch wenn die meisten Maßnahmen den Strom- und Gassektor behandeln, ist der Wärmesektor auch von den Gesetzesänderungen betroffen.

Verschärfung der Preismissbrauchskontrolle (§ 29 GWB)

Verschärfung der Preismissbrauchskontrolle: Der Gesetzgeber dehnt die Preismissbrauchskontrolle nun auch auf den Fernwärmesektor aus. Bisher galt die kartellrechtliche Aufsicht des Preismissbrauchs durch das Bundeskartellamt nur dem Gas- und Stromsektor und sollte einen voll funktionierenden Wettbewerb gewährleisten. Durch die Erweiterung des Geltungsbereichs des § 29 GWB ist auch der Fernwärmesektor davon betroffen. Der Wärmenetzbetreiber muss zukünftig, sobald er marktbeherrschend agiert und höhere Wärmepreise im Vergleich zu anderen Wärmeversorgern von seinen Kunden verlangt, die Angemessenheit seiner Preise ggü. der zuständigen Regulierungsbehörde nachweisen. Die Regelung kann sich potentiell zum Nachteil jener Fernwärmeunternehmen auswirken, die aufgrund von der Integration Erneuerbarer Energien höhere Wärmepreise festlegen. Die entsprechenden Preisunterschiede sind dann der entsprechenden Behörde nachzuweisen. Dadurch soll ein möglicher Missbrauch der Monopolstellung verhindert werden.

Änderungen im KWK-Gesetz

Auch das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz wird angepasst. Die Novelle des KWK-Gesetzes reduziert die jährlich förderfähigen Benutzungsstunden der KWK-Anlagen ab 2025 bis 2030 in mehreren Schritten auf 2500. Das wirkt sich unmittelbar auf den Wärmesektor aus, da KWK-Anlagen oftmals in die Fernwärmenetze eingebunden sind. Da das Gesetz die Förderung nunmehr begrenzt, kann es auch die Strategie der Wärmenetzbetreiber langfristig beeinflussen. Die KWK-Betreiber sind nun dazu angehalten, den Einsatz der KWK-Anlagen in den nicht förderfähigen Stunden auf ein Mindestmaß reduzieren. Die Maßnahme provoziert eine Lücke in der Fernwärmeerzeugung, die (so die Absicht) von Erneuerbare Energien- Anlagen in Kombination mit Wärmespeichern zu schließen ist.

Reduzierte Netzentgelte für Wärmepumpen

Eine weitere Maßnahme betrifft den wirtschaftlichen Betrieb der Wärmepumpen, darunter auch Wärmepumpen in Wärmenetzen. Für Wärmepumpen sollen in der Zukunft reduzierte Netzentgelte möglich sein, um die Sektorenkopplung zu begünstigen. Wärmenetzbetreiber, die Wärmepumpen einsetzen, sollen dann von vergünstigten Stromnetzentgelten profitieren. Hohe Stromkosten (insbesondere aufgrund gesetzlicher Umlagen) waren in Deutschland bislang ein Hindernis bei der Integration von Wärmepumpenanlagen. Eine Reduzierung der Netzentgelte soll dem entgegenwirken und einen Anreiz zur strombasierten Wärmeerzeugung setzen. Außerdem sollen in der bevorstehenden GEG-Novelle (Groß-)Wärmepumpen auch durch das Absenken des Primärenergiefaktors auf 1,2 stärker gefördert werden, strengere Energieeffizienzstandards (EH-55) für Häuser ab 2023 wurden bereits beschlossen.

Angekündigte 65 % Klausel – Meilenstein für die Wärmewende?

Was noch nicht zum Osterpaket gehört, ist die sogenannte 65 %-Klausel für neue Heizungsanlagen. Der Koalitionsvertrag enthält eine 65 %-Klausel, die besagt, dass ab dem 1. Januar 2024 jede neue Heizung zu mindestens 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Detailliertere Angaben zu dieser Regelung gab es im Koalitionsvertrag bisher nicht. Die angekündigte GEG-Novelle, die im Rahmen der bevorstehenden Änderungen des EEG noch beraten wird, soll dann voraussichtlich die 65 %-Klausel beinhalten. Die Innovationsklausel wird der Gesetzgeber voraussichtlich ebenfalls fortschreiben. Der finale Gesetzesentwurf der GEG-Novelle liegt laut Branchenvertretern bereits vor, wie einzelne Stellen bereits berichten. Weitere Beratungen zu Änderungen des GEG stehen noch an.

Ausblick: Was steht an auf der Europäischen Ebene?

Bereits letztes Jahr wurden in dem Fit-for-55 Paket neue Ziele für erneuerbare Wärme und Kälte festgelegt. Der Hintergrund ist die rechtsverbindliche Vorgabe durch das Europäische Klimagesetz (Verordnung (EU) 2021/1119) die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen.
Die Kommission schlägt im Paket auch Änderungen zur Energieeffizienzrichtlinie vor. Wärmenetzbetreiber sollen den Anteil der erneuerbaren Wärme kontinuierlich steigern und strengere Effizienzanforderungen beachten. Der aktuelle Richtlinienentwurf definiert auch solche effiziente „Kälte- und Wärmenetze“ und schlägt auch Änderungen zu den aktuellen Regelungen im Artikel 24 vor:
Ab dem 1. Januar 2026 sollte ein Fernwärme-System mindestens 50 % erneuerbarer Energien einbeziehen oder 50 % der Energie aus Müllverbrennungsanlagen oder 80 % aus hocheffizienten KWK-Anlagen. Ab 2035 kann die Wärme aus hocheffizienten KWK-Anlagen dann nicht mehr zur Erfüllung der Effizienzkriterien berücksichtigt werden und es müssen mindestens 50 % an erneuerbaren Energien oder der Wärme aus Müllverbrennungsanlagen genutzt werden. Ab 2050 sollen solche effiziente Wärmenetze dann nur mit erneuerbaren Energien, mit der Abwärme aus Müllverbrennungsanlagen oder einer Kombination aus beidem betrieben werden (Art. 24 Abs. 1).


Fernwärmenetzbetreiber müssen auch eine Kosten-Nutzen-Analyse bei der Abwärme-Integration durchführen um zu bewerten, wie die Effizienz in den Wärmenetzen gesteigert werden kann. Diese soll in Kooperation mit bestimmten industriellen Anlagenbetreibern – sogenannten Dritteinspeisern stattfinden (Art. 24 Abs. 5). Dazu gehören Abwärme-Produzenten aus industriellen Anlagen, Rechenzentren und Abwasserbehandlungsanlagen. Verpflichtende Netzzugangsregeln für Dritteinspeiser gibt die Richtlinie aber immer noch nicht vor. Die Anforderungen gelten sowohl für bestehende als auch für neue Wärmenetze. Neu in der Richtlinie sind außerdem die Dekarbonisierungsfahrpläne für Wärmenetzbetreiber, die die Effizienzanforderungen nicht erfüllen oder einen bestimmten Erzeugungsgrad an Wärmeenergie überschreiten (Art 24 Abs. 4).

Folgen für den Wärmesektor

Mit dem Osterpaket, der GEG-Novelle sowie den vorgeschlagenen Maßnahmen im Fit-for-55 Paket und der Anpassungen der Energieeffizienzrichtlinie sind Veränderungen für den Wärmesektor abzusehen. Ambitionierte Ziele bei der Steigerung von erneuerbaren Energien scheinen die richtigen Schritte Richtung Wärmewende zu sein.
Gleichzeitig entsteht auch ein Konfliktpotential durch strengere Effizienzanforderungen auf der Europäischen Ebene und die neu eingeführte Preisaufsicht der Kartellbehörde auf der nationalen Ebene. Höhere Wärmepreise in den Wärmenetzen können schließlich auch auf die Zusatzkosten zurückzuführen sein, die durch die vermehrte Integration von dezentralen erneuerbaren Energien entstehen. Hier muss die Kartellbehörde bei der Preisaufsicht auch die zu tolerierenden zusätzlichen Wärmekosten für den Endverbraucher bewerten. De facto entstehen den Wärmenetzbetreibern Investitionskosten für die Wärmenetztransformation. Diese Kosten sind angemessen zu berücksichtigen und nicht mit solchen Wärmenetzbetreibern vergleichbar, die auf bestehenden Infrastrukturen verharren (z.B. weiterhin nur eine zentrale Kohle KWK-Anlage zur Erzeugung einsetzen). Es bleibt auch im Interesse des Gesetzgebers, Wettbewerbsnachteile für Wärmenetzbetreiber, die EE-Anlagen integrieren, zu vermeiden.


Die Ampelkoalition hat sich das Ziel gesetzt, bis zum Ende der Legislaturperiode messbare Beiträge bei der Energiewende vorweisen zu können. Den Blick dabei stärker auf den Bereich der Wärmeversorgung zu richten, ist ein guter Auftakt. Vor allem in Hinblick auf die geopolitischen Unsicherheiten und möglicher Gasengpässe muss die Wärmewende mit neuen Maßnahmen stärker voranschreiten. Es bleibt auch abzuwarten, was weitere Änderungen des GEG mit der EEG-Novelle mit sich bringen werden.

Autor*innen: Alina Anapyanova, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt s:ne und Harald Meyer, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt s:ne

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