0 In Lehre, Forschung & Transfer

Podcast zum Darmstädter Projekt “Schlaues Wasser”

Bild: Jürgen Mai

Erstes Bürgerevent zu “Schlaues Wasser Darmstadt” in und rund um die Centralstation am 11. Juli 2022. Foto: Jürgen Mai

Schlaues Wasser (auch: Smart Water) ist ein stadtweites Projekt, das noch bis Herbst 2027 andauert. Schlaues Wasser ist ein Gemeinschaftsprojekt der Wissenschaftsstadt Darmstadt, Digitalstadt Darmstadt sowie der HEAG, das selbst unter dem Schirm der Smart City Kommunen steht. Smart Cities setzen sich im Kern mit Fragen der Digitalisierung auseinander. Ein Schwerpunkt in Darmstadt ist das Wasser. Die h_da ist Teil der wissenschaftlichen Begleitung. Für die Recherche zum vorliegenden Blog-Beitrag sprach ich mit Birte Frommer, Professorin für Raum- und Umweltplanung an der Hochschule Darmstadt. Wer einen noch weiterführenden Einblick in die Projektarbeit haben möchte, kann sich das Interview anhören.

Wasser: Der Status quo in Darmstadt, Deutschland und der Welt

Erstes Bürgerevent zu Schlaues Wasser Darmstadt in und rund um die Centralstation am 11. Juli 2022. Ein Poster macht auf den eigentlich inkorrekten Begriff des WasserVERbrauchs aufmerksam. Foto: Jürgen Mai

Erstes Bürgerevent zu “Schlaues Wasser Darmstadt” in und rund um die Centralstation am 11. Juli 2022. Ein Poster macht auf den eigentlich inkorrekten Begriff des WasserVERbrauchs aufmerksam. Foto: Jürgen Mai

Nach aktuellen Datenerhebungen verbraucht jeder Mensch in Deutschland durchschnittlich täglich knapp unter 130 Liter Frischwasser. In Darmstadt ist der Wert etwas erhöht, doch das sei auf den zusätzlichen Wasserverbrauch durch ansässige Unternehmen zurückzuführen. Auf ein Jahr hochgerechnet führt das zu einem Wasserverbrauch von über 46 Kubikmeter. Im globalen Ranking überbieten die USA sowie die Vereinten Arabischen Emirate den deutschen Wasserverbrauch. In die Statistik ist jede Tätigkeit eingegangen, die mit Trinkwasser ausgeführt wurde, obwohl für den Garten oder den Balkon Niederschlagswasser genügt. Selbst innerhalb der eigenen vier Wände setzt nicht jede Aktivität Trinkwasser voraus. Für die Waschmaschine kann auch Betriebswasser (umgangssprachlich: Brauch- oder Nutzwasser) herhalten. Allerdings ist eine getrennte Betriebswasserversorgung erst ab einer bestimmten Größe, z.B. bei Hotels sinnvoll. Für Einzelpersonen rechnet es sich nicht und kann unter Umständen kontraproduktiv für die Trinkwasserqualität werden. An der Toilette hilft die Wasserspartaste und mit Blick auf den Wasserzähler ist duschen besser als baden und wer kürzer duscht und obendrein das Wasser nicht durchgehend laufen lässt, schont nicht nur den Planeten, sondern auch noch den eigenen Geldbeutel.

Übrigens, aus wissenschaftlicher Sichtweise ist der Begriff des Wasserverbrauchs irreführend. Wasser kann – ähnlich wie Energie – nicht „verbraucht“ werden, sondern es wechselt den Aggregatzustand. Wasser kann fest als Eiswürfel, als Flüssigkeit in Wasserflaschen, Gewässern und Regen oder gasförmig als Wasserdampf vorhanden sein. Die Beobachtung, dass Wasser verbraucht werden kann, weil bspw. ein Bach ausgetrocknet ist, ist irreführend. Die Menge des Niederschlags kann andernorts steigen und zu Katastrophen wie im Ahrtal führen.

Darmstadt: Die Smart City mit Schwerpunkt Wasser

Erstes Bürgerevent zu Schlaues Wasser Darmstadt in und rund um die Centralstation am 11. Juli 2022. Foto: Jürgen Mai

Erstes Bürgerevent zu “Schlaues Wasser Darmstadt” in und rund um die Centralstation am 11. Juli 2022. Foto: Jürgen Mai

Jede Smart City setzt sich mit den Chancen und Risiken der Digitalisierung auseinander. Dabei soll herauskristallisiert werden, welche relevanten Daten erhoben werden können und inwiefern die Auswertung dieser die Stadtentwicklung nachhaltig vorantreiben kann. Die Kommunen definieren ihren Schwerpunkt selbst und stehen im regen Austausch mit den anderen Smart Cities. Diese gibt es nicht nur in Deutschland, doch hierzulande gehen Fördergelder vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen an die Kommunen. Auch wenn Projekte (hier: Maßnahmen) untereinander übernommen werden dürfen, lässt sich mitnichten jedes davon ohne Anpassung auf die Gegebenheiten jeder Kommune übertragen.

Wasser als wichtige Daseinsvorsorge

Die Gründe für den Darmstädter Fokus auf das Wasser sind vielseitig. Angefangen damit, dass im Jahr 2021 Darmstadt die wärmste Stadt Hessens war. Außerdem werde Wasser zu oft fälschlicherweise als eine Selbstverständlichkeit betrachtet. Obwohl Wasser in Form von Fließgewässern im Stadtbild wenig präsent ist, nennt Birte Frommer die Themensetzung eine wichtige Daseinsvorsorge.

Schlaues Wasser am Umbruch in die Umsetzungsphase

Erstes Bürgerevent zu Schlaues Wasser Darmstadt in und rund um die Centralstation am 11. Juli 2022. Foto: Jürgen Mai

Erstes Bürgerevent zu “Schlaues Wasser Darmstadt” in und rund um die Centralstation am 11. Juli 2022. Foto: Jürgen Mai

Derweil befindet sich Schlaues Wasser am Umbruch von der Strategie- in die Umsetzungsphase. Die Strategiephase war die Erste mit Unterstützung durch Fördergelder. Über ca. eineinhalb Jahre wurden Ziele formuliert und Maßnahmen entwickelt. Dafür war eine wissenschaftliche Begleitung notwendig. Hier kam die Expertise der Hochschule Darmstadt in Form von Professor:innen und des Ingenieurbüros der Gesellschaft Infrastruktur & Umwelt hinzu. Im Herbst 2022 wurde ein zweimonatiger Ideenwettbewerb veranstaltet, wobei die drei Fokusgruppen insgesamt 70 Ideen einreichten. Mit der Festlegung auf Fokusgruppen sollten alle relevanten Interessengruppen der Stadt involviert werden. Über zivile Interessensgemeinschaften, konnte jede:r über bspw. Bürgerinitiativen Ideen einreichen. Die verbleibenden Fokusgruppen, die am Wettbewerb teilnahmen, hießen Wissenschaft & Wirtschaft und Verwaltung & städtische Betriebe.

Die Umsetzungsphase wird bis September 2027 andauern.

Die Maßnahmen

Schlaues Wasser Darmstadt ist ein Gemeinschaftsprojekt der Wissenschaftsstadt Darmstadt, Digitalstadt Darmstadt sowie der HEAG. Die h_da ist Teil der wissenschaftlichen Begleitung. Foto: Jürgen Mai

„Schlaues Wasser Darmstadt“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Wissenschaftsstadt Darmstadt, Digitalstadt Darmstadt sowie der HEAG. Die h_da ist Teil der wissenschaftlichen Begleitung. Foto: Jürgen Mai

Die Maßnahmen wurden unter Berücksichtigung der zuvor drei definierten Anwendungsfelder entwickelt. Das Anwendungsfeld 1 Wasserkreisläufe Quartier und Stadt ist von Interesse für die Stadtplanung und -entwicklung. Dabei wird bereits bestehenden Wasserkreisläufen nachgegangen und angepasst oder gänzlich neue erschlossen. Anwendungsfeld 2 Wasserdaten: Grundlagen, Potenziale und Nutzung ist ein Zweischritt. Es soll ermittelt werden, welche Wasserdaten zur Verfügung stehen und inwiefern sich jene Datensätze im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung einsetzen lassen. Im Anwendungsfeld 3 Wasserbewusstsein: Wasserkommunikation und bewusstes Handeln möchte Schlaues Wasser die Menschen vor Ort involvieren. Mit einer Umfrage, deren Ergebnisse zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht vorliegen, möchte Schlaues Wasser ein Verständnis dafür entwickeln, was die Menschen über ihren Wasserverbrauch wissen und, ob sie für die Thematik der Wasserknappheit sensibilisiert sind. Dabei kann die Umfrage nur eine Momentaufnahme sein, doch Birte Frommer äußerte sich Zuversichtlich bei einer möglichen Wiederholung der Umfrage zu einem späteren Zeitpunkt.

Maßnahme: Datengestützte Bewässerung

So könnte die Maßnahme Datengestützte Bewässerung funktionieren. Foto: Jürgen Mai

So könnte die Maßnahme “Datengestützte Bewässerung” funktionieren. Foto: Jürgen Mai

Die Bewässerung von Jungbäumen zum falschen Zeitpunkt mit der falschen Menge Wasser ist kontraproduktiv für den Baum und den effizienten Umgang mit der Ressource Wasser. Ein ausgetrockneter Boden kann zudem schlecht Wasser aufnehmen.

Daher wird bei der Maßnahme der Boden von Jungbäumen, die sich wegen zu kurzer Wurzeln noch nicht ausreichend selbst versorgen können, mit Sensoren ausgestattet, die den Feuchtegrad messen. Wird das zukünftig mit den Wetterdaten verknüpft, die im Bereich des durstigen Baumes Regenschauer prognostizieren, dann müssen Gärtner diese Bäume weniger bis gar nicht bewässern.

Maßnahme: Wassermonitoring im Woog (und Bürgerpark)

Wassermonitoring im Woog (und Bürgerpark) Bild: Jürgen Mai

Wassermonitoring im Woog (und Bürgerpark) Bild: Jürgen Mai

Ein unscheinbares Floß, das im Boden verankert auf dem Woog und im Bürgerpark umher treibt: Das ist WAMO 300. WAMO 300 erfasst Daten zur Wasserqualität in Echtzeit. Welche Temperatur hat das Wasser? Kann ich bedenkenlos ins kühle Nass springen, wenn die Belastung mit Blaualgen unter dem offiziellen Grenzwert liegt, ich aber eine Sensibilität gegenüber Blaualgen aufweise? Wie hoch ist die Stickstoffbelastung? Hier werden bestimmte Wasserparameter nur nach menschlicher Sichtung und Auswertung öffentlich gemacht.

Maßnahme: 3D-Stadtmodell

Das 3D-Stadtmodell folgt dem Ansatz des Digital Twins. Dabei erhofft man sich mittels digitalen Abbilds einer Stadt die Planungsprozesse zu erleichtern und Fragestellungen zur Stadtentwicklung zu beantworten. Ein 3D-Stadtmodell kann Aufschluss über Windfelder, Verschalungen und den Weg des Wassers bei bspw. (Stark)Regen geben. Das Ausmaß kann gigantisch werden: Wie ist der Boden zusammengesetzt? Welche Leitungen gibt es im Untergrund? Trotz Begeisterung, die Birte Frommer und die weiteren Gäste bei einer Preview des 3D-Stadtmodells spürten, weil schon jetzt einiges möglich ist, nennt sie die Weiterentwicklung des Digital Twins eine komplexe Herausforderung.

Auf der Website von Schlaues Wasser werden mehr als nur die hier vorgestellten Maßnahmen gelistet. Maßnahmen, die noch in der Beantragungs- statt Strategiephase stecken, sind dabei noch nicht einsehbar.

Smart Cities sind vernetzte Cities

Erstes Bürgerevent zu Schlaues Wasser Darmstadt in und rund um die Centralstation am 11. Juli 2022. Foto: Jürgen Mai

Erstes Bürgerevent zu “Schlaues Wasser Darmstadt” in und rund um die Centralstation am 11. Juli 2022. Foto: Jürgen Mai

Die drei vorgestellten Maßnahmen von Schlaues Wasser zeigen die Vision, die die Smart Cities verfolgen: ein zukunftsfähiges Leben durch Vernetzung von Sensordaten und daraus resultierenden (automatisierten) Prozessen. Trotz aller Möglichkeiten, die sich durch eine vernetzte Welt ergeben, darf der Datenschutz nicht zu kurz kommen. Dafür haben sich die Smart Cities auf die Smart City Charta verständigt. Vor jeder Datenerhebung müsse abgewogen werden, welcher gesellschaftliche Mehrwert sich dadurch ergebe. Übertragen auf Schlaues Wasser sind das auszugsweise folgende Interessen: Zu welcher Tageszeit steigt in welchem Quartier der Wasserverbrauch an? Wenn der Wasserverbrauch bis hin zu einzelnen Haushalten in Echtzeit analysiert werden kann, können Privatpersonen bei einem überdurchschnittlich hohen Verbrauch gewarnt werden.

Ein Ausblick

Erstes Bürgerevent zu Schlaues Wasser Darmstadt in und rund um die Centralstation am 11. Juli 2022. Foto: Jürgen Mai

Erstes Bürgerevent zu “Schlaues Wasser Darmstadt” in und rund um die Centralstation am 11. Juli 2022. Foto: Jürgen Mai

Für den weiteren Verlauf von Schlaues Wasser wünscht Frommer sich, dass die Interdisziplinarität unter den Beteiligten bestehen bleibt, weil diese Art zusammenzuarbeiten Maßnahmen besser werden lässt. Außerdem ist sie zuversichtlich, dass wegen der großen Partizipation in der Darmstädter Bevölkerung an Schlaues Wasser ein tatsächlicher Nutzen für viele entsteht. Mehr Informationen rund um Schlaues Wasser findest du auf der offiziellen Website.

Autor: Leon Ebersmann

Das könnte dich auch interessieren

Keine Kommentare

Hinterlasse eine Antwort