0 In Lehre, Forschung & Transfer

Grüner Campus – erholsamer Campus?

Die Studentin Elisabeth Vlastarakis hat sich in ihrer Bachelorarbeit im Studiengang Wirtschaftspsychologie damit beschäftigt, wie grün der Hauptcampus der Hochschule Darmstadt ist und wie grün er von den Studierenden wahrgenommen wird. Außerdem hat sie erforscht, ob es einen Zusammenhang zwischen der Begrünung des Campus und der wahrgenommenen Erholung gibt. Im Interview erzählt sie uns, was sie herausgefunden hat.

Wie bist du auf das Thema “Grüner Campus – erholsamer Campus?” gekommen?

Die Umweltpsychologie ist ein Bestandteil unseres Studiums und es hat mich schon immer interessiert, wie Menschen ihre Umwelt wahrnehmen und wie sie mit ihr – oder in ihr – agieren. Vor allem aber auch, welche Wirkung die Umwelt auf uns hat, denn das vergessen Psychologen manchmal, weil alles aus Sicht des Individuums gesehen wird. Und als Studentin war es naheliegend etwas mit Bezug zum Campus zu machen, denn in den Klausurenphasen war ich selbst schnell erschöpft. Zudem gibt es in der Literatur Hinweise dazu, wie Natur Erholung fördert. So kam ich zu meiner Fragestellung: Wie viele und welche Art von Grünflächen haben wir an der Hochschule und tragen diese dazu bei, dass die Hochschule als erholungsförderlich oder erholsam wahrgenommen wird?

Warum braucht man Grünflächen am Campus?

Die ganze Bachelorarbeit basiert auf der Theorie, dass wir zwei Arten von Aufmerksamkeit besitzen. Eine Art, die sehr anstrengend ist und eine Art von Aufmerksamkeit, die mühelos gelingt – wobei die Aufmerksamkeit von interessanten Dingen ausgelöst wird. Die anstrengende Aufmerksamkeit macht einen auf Dauer müde.

“Gerade beim Lernen merken wir, dass wir eine erhöhte Konzentration aufbringen müssen. Man sollte diesem Aufmerksamkeitsmechanismus die Gelegenheit geben zu regenerieren.”

Im Zustand mentaler Ermüdung ist man leichter ablenkbar und reizbar, die Wahrnehmung ist eingeschränkt und man macht Fehlurteile. Man kann sich zum Beispiel durch Schlafen regenerieren, eine weitere Möglichkeit ist Meditieren oder man geht in eine erholsame Umwelt.

Was hast du durch deine Forschungen herausgefunden?

Man kann im Großen und Ganzen sagen: Ja, Begrünung an der Hochschule hat einen Einfluss auf die wahrgenommene Erholung. Aber es ist auch ganz interessant, dass einige Kontrollvariablen  auf architektonischen Variablen basierten, zum Beispiel ob der Campus sauber ist, oder ob es viele Orte zum Beisammensein gibt. Dabei hat sich herausgestellt, dass Orte zur Zusammenkunft eine noch wichtigere Rolle zu spielen scheinen, als die Begrünung des Campus. Daraus habe ich abgeleitet, dass ein Mischkonzept aus Orten der Begegnung im Grünen ideal wären.

Wie würde so ein perfektes Mischkonzept aussehen?

Studien deuten darauf hin, dass Menschen große Bäume, die Schutz bieten, bevorzugen. Man könnte also große Bäume pflanzen und darunter Parkbänke aufstellen, Arbeitsflächen einrichten und moderne Sitzgruppen anlegen. Sodass man sich dort mit Kommilitonen treffen kann. An der h_da sind viele Grasflächen vorhanden, die man dafür nutzen könnte. Zum Beispiel beträgt der Anteil der Grünfläche am Haardtring 21 Prozent. Diese befindet sich allerdings hinter dem Gebäude und besteht aus karger Rasenfläche.

Die Forschungsfrage lautet: „Wie hoch wird die perceived greenness und wie hoch die perceived restorativeness am Hauptcampus der h_da derzeit bewertet und in welchem Zusammenhang stehen beide?“ – Was bedeuten perceived greenness und perceived restorativeness überhaupt?

Perceived greenness ist die wahrgenommene Begrünung. Das ist mehr ein qualitativer Aspekt. Wahrnehmung basiert nicht nur auf Mengen, sondern auch auf der Qualität  – wie qualitativ hochwertig diese Grünflächen sind. Und perceived restorativeness ist die wahrgenommene Erholsamkeit, beziehungsweise das Erholungspotenzial eines Ortes.

Was heißt Qualität der Grünflächen?

Ich habe die Anzahl an Grünflächen mithilfe eines externen Ingenieurs über QGIS quantifizieren lassen. Das Ergebnis war, dass an der Hochschule objektiv gesehen relativ viele Grünflächen vorhanden sind. Diese werden von den Studierenden aber nicht wahrgenommen. Denn sie befinden sich zum Beispiel hinter den Gebäuden, das heißt die qualitative Ausprägung ist nicht vorhanden.

“Grünflächen müssen präsent sein, nur dann werden sie wahrgenommen.”

Zurück zur Forschungsfrage. Wie lässt sich perceived restorativeness messen?

Die perceived restorativness besteht aus vier Faktoren. Um zu erforschen, wie hoch die perceived restorativness ist, muss man diese Faktoren untersuchen. Aus den Faktoren habe ich auch mein Vorgehen abgeleitet: Zuerst habe ich untersucht, in welchem Zusammenhang die Gesamtbegrünung zur Gesamterholung steht und danach die Begrünung mit einzelnen Unterfaktoren.

Was sind die Faktoren der perceived restorativeness?

Die vier Faktoren sind Being Away, Extend, Compatibility und Fascination. Fascination bedeutet, dass Umwelt und erholungsförderliche Umwelt bestimmte Eigenschaften besitzen, die faszinierend auf uns wirken. Being Away ist das Gefühl entfernt von Distraktoren des Alltags zu sein – also entfernt von Alltagsroutinen. Das heißt, man bekommt Abstand zu allem, was einen tagtäglich stresst. Extend ist als die Ausdehnung einer Umwelt zu sehen, die einem das Gefühl vermittelt in einer anderen Welt zu sein. Eine Umwelt sollte Interpretationsfreiraum lassen und dennoch als Ganzes wahrnehmbar sein. Der letzte Faktor ist Compatibility. Das bedeutet, dass die Umwelt zu den eigenen Neigungen passt. Wenn ich zum Beispiel fischen gehen möchte, ist ein See besser geeignet als ein kleiner Tümpel.

Und wie sieht es momentan an unserer Hochschule aus?

Unsere Hochschule ist im Allgemeinen relativ betonlastig – zumindest aus meiner eigenen subjektiven Wahrnehmung. Zum Beispiel am Hochhaus – es sind Sitzmöglichkeiten vorhanden, aber die zentrieren sich auf dem Vorplatz um die Mensa herum. Die Bäume sind eher eine architektonische Begrünung. Es gibt zwar auch Rasenflächen, wo man sich im Sommer in den Pausen hinlegen kann, aber Parkbänke in unmittelbarer Nähe zu den Grünflachen sind nicht vorhanden.

Elisabeth hat die Grünflächen des Hauptcampus quantifizieren lassen.

Was wäre denn der zu erwartende Effekt, wenn eine „perfekte Umgebung“ auf dem Campus vorhanden wäre?

Im Optimalfall könnten die Studierenden, die vom Lernen müde und erschöpft sind, ihre Pausen nutzen um sich zu regenerieren – um dann wieder die volle Konzentration und Leistung zu erbringen. Die Studienlage deutet darauf hin, dass Natur Stress mindert und Studierende eine größere Aufmerksamkeitsspanne und Fokussionsfähigkeit erbringen können. Zudem kann die Nutzung von Grünflächen am Campus in einem positiven Zusammenhang mit der wahrgenommenen Lebensqualität stehen. Also können attraktive Grünflächen nicht nur einen positiven Aspekt auf das Lernen erzielen, sondern auch auf die Lebensqualität allgemein.

Das könnte dich auch interessieren

Keine Kommentare

Hinterlasse eine Antwort