Klimaextreme, Ressourcenknappheit oder soziale Ungleichheiten – das sind nur einige Stichworte für die fortschreitenden sozial-ökologischen Problemlagen. Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung stehen uns viele Herausforderungen bevor, die wir gemeinsam angehen sollten. In diesem Prozess kommt gerade jungen Entscheidungsträgern eine Schlüsselrolle zu. Die Frage ist nur: Wie können die Macher von morgen für die Auseinandersetzung mit komplexen, zukunftsentscheidenden Fragestellungen begeistert werden?
Mit diesem Sachverhalt hat sich im Rahmen des SusTelling-Projekts „Storytelling in der Nachhaltigkeitskommunikation – Perspektiven und Evidenzen“ eine SuCo2-Forschungsgruppe an der Leuphana-Universität Lüneburg beschäftigt. Unter der Leitung von Prof. Dr. Daniel Fischer (Nachhaltigkeitswissenschaftler) untersuchte das Forschungsteam den Einfluss von Geschichten zu Nachhaltigkeitsbelangen auf junge Erwachsene. Prof. Dr. Daniel Hanss (Psychologe) und Prof. Dr. Torsten Schäfer (Journalist) unterstützten das Projekt als Forschungspartner von der Hochschule Darmstadt (h_da) aus. Durch die langjährige Partnerschaft mit der Leuphana-Universität arbeiten die Professoren schon seit vielen Jahren gemeinsam an Journalismus und Nachhaltigkeit in Forschung und Lehre. Aus diesem Kontext ist auch das Netzwerk Weitblick hervorgegangen.
SusTelling = Sustainability + Storytelling
Dass komplexe Themen durch Geschichten alltagsbezogen, greifbar und verständlich werden, ist schon lange bekannt. Unterstrichen wird zum Beispiel durch das „Rettet den kleinen Rang-tan“-Video von Greenpeace. Anzunehmen ist zudem, dass Geschichten den Empfänger*innen Anlass zur Identifikation geben und somit das eigene Verhalten hinterfragt wird. Und hier kommt SusTelling ins Spiel: Durch die Kombination aus Nachhaltigkeit (Sustainability) und Geschichten erzählen (Storytelling) könnte es gelingen Veränderung von Wahrnehmung und Verhalten herbeiführen.
SusTelling auf dem Prüfstand
Mit dem Ziel, die Wirkung und Wahrnehmung von SusTelling-Beiträgen auf junge Erwachsene differenziert zu untersuchen und zur Evidenzbasierung beizutragen, führte die Forschungsgruppe zwei Studien durch:
Ein Feldexperiment untersuchte den Einfluss von textbasiertem SusTelling auf situative Interesse und Wahrnehmung sowie die konsum- und umweltbezogene Verhaltensabsicht von jungen Erwachsenen. Zudem wurde die Wirkung von SusTelling abhängig vom individuellen Grundinteresse für Nachhaltigkeitsthemen und dem Ausbildungsweg erfasst. Zur Analyse wurden 1000 Personen in Studium oder Berufsausbildung unterschiedliche Textbedingungen vorgelegt und durch einen Fragebogen und ergänzende Gruppeninterviews befragt.
Weiterhin erhielten junge Menschen über den Zeitraum mehrerer Wochen hinweg Storytelling-Medienbeiträge in unterschiedlichen Formaten (Video, Text, Bildstrecke, Podcast). Die begleitende explorative Studie (n=139) erfasste durch Kommentare, Bewertungen und Einzelinterviews, wie junge Erwachsene diese Beiträge zu nachhaltigem Konsum wahrnehmen und bewerten.
Wirklich wirksam?
Die Wirkung von SusTelling-Texten zeigte verglichen mit klassischen Berichten kein verändertes Interesse oder veränderte Handlungsabsichten in Bezug auf Umwelt und Konsum. Zudem stellte sich heraus, dass es keinen Unterschied in der Wirkweise von SusTelling abhängig vom individuellen Grundinteresse für Nachhaltigkeitsthemen oder dem Bildungsweg gibt. Jedoch identifizierte die Studie Unterschiede in der Wahrnehmung der Textgestaltung. Während Student*innen den SusTelling-Text als lebensnah beschrieben und sich durch ihn motiviert für Nachhaltigkeitsengagement fühlten, lasen Berufsschüler*innen den Text nur widerwillig und wünschten sich mehr Sachinformationen.
Die explorative Studie lieferte darüber hinaus Erkenntnisse, welche Personengruppen wie durch SusTelling erreicht werden können:
- Entdecker möchten durch SusTelling innovative Informationen sammeln und Neues lernen.
- Visionäre interessieren sich für konstruktive Zugänge und Lösungsansätze.
- Aufklärer identifizieren sich durch die analytische Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsthemen und verbreiten die Erkenntnisse gerne im sozialen Umfeld.
Insgesamt wünschen sich junge Erwachsene glaubhafte und sachliche Geschichten, die zur eigenen Lebenswelt passen. Besonderes Interesse liegt in Themen und Problemen, die von verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden. Die Ergebnisse können dabei helfen, SusTelling besser auf die Wünsche der Zielgruppe anzupassen. Sie zeigen jedoch auch auf, wo weitergehende Forschung erforderlich ist, um die genauen Wirkmechanismen von SusTelling zu entschlüsseln.
Tiefergehende Einblicke in die Untersuchungen und Ergebnisse des SusTelling-Projektes gibt es in einer Kurzzusammenfassung sowie im Buch „Nachhaltigkeit erzählen – Durch Storytelling besser kommunizieren?“.
SusTelling will gelehrt sein
Um die Grundlagen zu SusTelling sowie die Forschungsergebnisse für die Praxis aufzubereiten, konzipierte die Projektgruppe eine interaktive Online-Selbstlerneinheit. Alle Interessierten können in drei Modulen lernen, nachhaltige Entwicklung in Geschichtenform zu kommunizieren. Und auch in der Lehre bietet die Online-Selbstlerneinheit gerade in Zeiten von Corona großes Potenzial. Daniel Fischer nutzt sie aktuell als Trainingsangebot in der Wissenschaftskommunikation und freut sich bereits, die gerade entstehende englischsprachige Version dann auch in der Lehre an der Universität Wageningen in den Niederlanden einzusetzen.
Doch nicht nur das Onlinetool kommt zur Vermittlung von SusTelling in Frage. Die Leuphana-Universität hat bereits 2018 ein Projektseminar zum Thema angeboten. Eine gute Grundlage für die Lehre stellt das SusTelling-Buch dar. Darüber hinaus wurden die Ergebnisse des Forschungsprojektes beispielsweise durch ein Webinar oder einen Newsletterbeitrag verbreitet.
Auch an der h_da soll das neue Wissen nicht ungenutzt bleiben. Gerade in den Studiengängen Onlinejournalismus und Media, Technology and Society ist journalistisches Erzählen im Nachhaltigkeitskontext zum Beispiel in Lehrredaktionen oder Wahlpflichtfächern fester Bestandteil der Lehre. Allerdings sollte die Wirkung von Storytelling und Nachhaltigkeit auch nicht überschätzt werden, so Torsten Schäfer. Durch SusTelling retten wir nicht sofort die Welt. Dennoch setzt SusTelling wichtige Impulse und wirft gleichzeitig auch die Ethikfrage des Erzählens im transformativen Kontext auf. Doch nicht nur in Journalismus und Kommunikation, auch im Bereich der Wirtschafts- und Umweltpsychologie kommt das SusTelling-Wissen durch Daniel Hanss zum Einsatz.
Und wie geht’s weiter?
Und auch wenn das große SusTelling-Projekt mittlerweile abgeschlossen ist, geht die Erzählforschung weiter, etwa in den Forschungssemestern der beiden h_da-Professoren. So forscht Torsten Schäfer beispielsweise zur Transformation des Journalismus und seiner Narrative im Klimakontext und bleibt somit seinem Versprechen treu:
„Wir sind überzeugt, dass der Journalismus im Nachhaltigkeitsbereich ungemein wichtig ist und wir dabei sind, diese Geschichte über die Entwicklung des nachhaltigen Journalismus stetig weiterzuschreiben.“ ~ Heike Janßen und Torsten Schäfer
In der Zwischenzeit gilt es: Gespannt bleiben, wohin SusTelling uns führt und – vielleicht sogar geschichtenerzählend – unsere Mitmenschen für Nachhaltigkeit zu begeistern. Denn eins ist sicher: Wir brauchen Impulse für eine nachhaltige Entwicklung, und zwar jetzt!
Und wer noch mehr über klimagenaue Sprache erfahren will: hier entlang!
Keine Kommentare