Das Verfassungsgericht in Karlsruhe erklärt das Klimaschutzgesetz teilweise für verfassungswidrig und stärkt Rechte der jungen Generation.
Zum Hintergrund: Seit Dezember 2019 gibt es das Bundes-Klimaschutzgesetz, welches sich auf das Pariser Abkommen zum Klimaschutz und damit auf das Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C und möglichst auf 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, bezieht. Im Klimaschutzgesetz ist festgeschrieben, dass bis 2030 alle Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um mindestens 55 % gesenkt werden sollen. Hierfür legt es mit sektorenbezogenen Jahresemissionsmengen die bis dahin geltenden Reduktionspfade fest (§ 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2).
Neun jungen Menschen ist das zu wenig. Unterstützt von Umweltorganisationen haben sie Anfang 2020 eine Verfassungsbeschwerde gegen das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung eingereicht. Aus Sicht der Kläger:innen ist die Klimapolitik der Bundesregierung nicht ausreichend, um die dramatischen Folgen der Klimakrise zu mindern und abzuschwächen und vor allem die Grundrechte der Kläger:innen zu schützen. Daneben waren drei weitere Verfassungsbeschwerden gegen die Klimapolitik der Bundesregierung und zum Teil gegen das Klimaschutzgesetz beim Bundesverfassungsgericht anhängig, die ebenfalls entschieden wurden.
Das Urteil: Klimaschutz wird justiziabel
Mit diesem Urteil verpflichtet das Bundesverfassungsgericht die Politik zu einem wirksamen Klimaschutz und erhebt diesen und damit die Ziele des Pariser Abkommens zum Klimaschutz zugleich in den Verfassungsrang. Es sieht durch das Klimaschutzgesetz die Freiheitsrechte der zukünftigen Generationen verletzt. Denn die Vorschriften verlagern hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar über das Jahr 2030 hinaus in die Zukunft. Um die Ziele des Pariser Abkommens zum Klimaschutz zu erreichen, müssten die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen immer dringender und kurzfristiger erbracht werden. Die damit einhergehenden drastischen Einschränkungen, die durch die Emissionsminderungspflichten nach 2030 entstehen, betreffen potenziell alle Freiheiten in nahezu allen Bereichen menschlichen Lebens. Um das Grundrecht auf Freiheit auch für zukünftige Generationen zu sichern, hat der Gesetzgeber daher die Pflicht, die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 bis Ende 2022 näher zu regeln, um einen freiheitsschonenden Übergang in die Klimaneutralität zu gewährleisten.
Die Reaktionen:
Es ist ein riesiger Etappensieg, aber der Kampf geht weiter. Luisa Neubauer twittert: „Jetzt kämpfen wir weiter, für eine 1,5 Grad Politik, die unsere zukünftigen Freiheiten schützt, statt sie zu gefährden.“
„Um dieser Zielvorgabe des Pariser Ankommens zum Klimaschutz aber gerecht zu werden,“ hebt Professorin für Umwelt- und Energierecht Dr. Anja Hentschel von der Hochschule Darmstadt hervor, „sind die deutschen Klimaschutzziele schon jetzt – auch mit Blick auf 2030 – zu verschärfen und den Sektoren vor allem auch für die Zeit ab 2031 konkrete Reduktionsvorgaben aufzuerlegen.“
PS: Hochschluangehörige der h_da können hier mehr Erfahren.
Autorinnen: Prof. Dr. Anja Hentschel und Jana Kutschmann
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