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Gift in Lebensmittelverpackungen und anderswo? Europäische Kommission plant stufenweises Verbot von „Ewigkeitschemikalien“ aus der PFAS-Stoffgruppe

Quelle: Gerald auf Pixabay

Die Europäische Kommission will den Einsatz von toxischen „Ewigkeitschemikalien“ bis Ende 2022 schrittweise verbieten. Doch was steckt genau dahinter? Welche Produkte sind betroffen? Und welche Vorteile bringt das PFAS-Verbot für Mensch und Umwelt, aber auch für innovative Unternehmen? Welche Herausforderungen bleiben bestehen?

Wofür steht PFAS und wo steckt es drin?

PFAS steht für Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, eine Gruppe von künstlich hergestellten Chemikalien. Sie werden aufgrund ihrer schmutz-, hitze- und wasserabweisenden Eigenschaften hergestellt und verwendet. Diese Eigenschaften sind vor allem auf die Kohlenstoff-Fluor-Bindung (Abbildung 2) zurückzuführen, die PFAS die für die Industrie “wünschenswerten” Eigenschaften verleiht, sie aber gleichzeitig sehr widerstandsfähig gegen den Abbau in der Umwelt macht. So kommt die PFAS-Stoffgruppe zum Spitznamen “Ewigkeitschemikalien”.  Diese können in folgenden Produkten zu finden sein:

  • Textilien: Outdoor-Bekleidung, Schuhe (mit Wasser-, Öl-, schmutzabweisenden Beschichtungen)
  • Verpackungen: Pizza Verpackung, Kaffee Becher etc.
  • Verchromen von Metallen und Kunststoffen
  • Feuerlöschschäume
Übliche Verpackungen, die oftmals PFAS enthalten, Quelle: Umweltbundesamt, 2020

Spuren von PFAS Substanzen sind daher nicht nur in der Umwelt persistent, sondern finden sich auch im Körper von Menschen und Tieren, wo sie sich zudem anreichern (Bioakkumulation). Einige PFAS, darunter Perfluoroctansäure (PFOA) gelten unter der REACH-Verordnung bereits heute als „besonders besorgniserregende Stoffe“ (SVHC). PFAS sind heute weltweit in Wasser, Boden und Luft zu finden; so auch an den Polkappen und im Blut von Fischen, Eisbären und Innuit.

Molekularstruktur PFOA; Quelle: Umweltbundesamt, 2020

Geplante Verbote und Regelungslücken

Die Europäische Kommission hat im Rahmen der im Oktober 2020 veröffentlichten „Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit“ beschlossen, den Einsatz der PFAS-Stoffgruppe unter anderem in Lebensmittelverpackungen und Feuerlöschschäumen bis Ende 2022 zu verbieten. Diese „toxischen“ Stoffgruppe wird auch oft in Verbindung mit Krebserkrankungen gebracht. Derzeit liegt bereits ein Bericht der EFSA (European Food Safety Agency) vor, der auf ein problematisches Vorkommen der PFAS-Stoffgruppe in Lebensmitteln hindeutet. Durch das Verbot werden diese Stoffe auch nicht mehr in Lebensmittelverpackungen eingesetzt und von der Europäischen Verordnung Nr. 10/2011 für Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff aufgenommen. Unternehmen sind außerdem nach der Europäischen Verordnung Nr. 1935/2004 verpflichtet, sicherzustellen, dass Lebensmittelkontaktmaterialien keine Inhaltsstoffe an Lebensmittel abgeben, die auch die menschliche Gesundheit gefährden können. Bisher bestand eine Lücke in der Gesetzgebung, die damit geschlossen wird, denn diese Inhaltsstoffe unterlagen bislang keiner strengen Regulierung.

Es greifen bereits Regelungen unter der REACH Verordnung, die auch PFAS Stoffe betreffen, die auch zur SVHC Kategorie gehören. Hersteller und Lieferanten von Outdoor Textilien unterliegen einer Auskunftspflicht nach Art. 33 der REACH Verordnung. Diese müssen dann den Einsatz von perfluorierten Verbindungen, die oft in wasserabweisender Outdoor Bekleidung und einigen Produktbeschichtungen, wie etwa Kochtopfen und Bratpfannen, zu finden sind, gegenüber der ECHA Agentur melden sowie an Verbraucher kommunizieren, sobald in einem Erzeugnis der Anteil der Substanz von 0,1 Prozentschwelle überschritten ist.

Auswirkungen auf das Recyclingverfahren

Das Verbot von PFAS-Stoffen ist ein wichtiger Schritt zur Förderung einer umweltschonenden Kreislaufwirtschaft. Denn ein Recycling macht nur Sinn, wenn man einen „Riskcycle“ verhindert, also giftige Substanzen möglichst schnell aus dem Stoffkreislauf herausnimmt.

Im Rahmen der Anstrengungen, den Übergang zur Kreislaufwirtschaft auf der europäischen Ebene zu beschleunigen, fördern Initiativen wie Safe-by-Design und Design-for-Recycling die Erkennung problematischer Stoffe in Produkten bereits in der Designphase. Hier ist die Kenntnis der Materialzusammensetzung von grundlegender Bedeutung, um ein nachhaltigeres Chemikalienmanagement zu erreichen. Zudem lässt sich nur so gewährleisten, dass wiederverwendete Produkte und recycelte Materialien für die Kunden sicher sind und keine problematischen Stoffe enthalten. Voraussetzung dafür ist, die Inhaltsstoffe der Materialien und Bauteilen vollständig zu deklarieren (siehe dazu die Empfehlungen der „Proactive Alliance“ für einen globalen und sektorübergreifenden Berichtstandard zu Stoffen in Erzeugnissen).

PFAS-Verbot: Gute Perspektiven für Mensch und Planet – sowie für Anbieter „sauberer“ Alternativen

Unter dem Strich wäre ein PFAS-Verbot ein großer Schritt zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Damit sind aber noch nicht alle problematischen Stoffe erfasst. Vielmehr sind auch ähnliche persistente bzw. mobile und bioakkumulierbare Stoffe in den Blick zu nehmen.

Die Verordnung der Kommission zur Änderung hinsichtlich perfluorierter Carbonsäuren in Löschschäumen ist ein deutliches Zeichen der Europäischen Kommission zur Änderung der bisherigen Regulierung. Vergleichbare Regulierungen, die PFAS Substanzen in Outdoor Textilien und Verpackungen verbieten, hat die Kommission bereits angekündigt. Es bleibt abzuwarten, ob sie dafür eine Mehrheit unter den Mitgliedsstaaten findet. Das Europäische Parlament steht erfahrungsgemäß auf Seiten des Umwelt- und Gesundheitsschutzes.

Forscher und Anbieter von nachhaltigeren Alternativen zu PFAS-Stoffen können jetzt durchstarten. Für sie eröffnen sich, noch mehr als bislang, neue Marktchancen. Dieser ökonomische Impuls trägt dazu bei, das Ziel aus Art. 1 der REACH-Verordnung zu erreichen, durch Innovationen „ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen“.

Passend zum Thema findet am 29. September 2021 das Webinar “Raise your IQ on chemicals in food packaging” von Chemsec statt.

Weiterführende Links

EFSA, Scientific Opinion: Risk to human health related to the presence of perfluoroalkyl substances in food, Vol 18 (9) 2020

Verordnung (EU) Nr. 10/2011 der Kommission vom 14.01.2011 über Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen (OJ L 12, p. 1-89)

Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen (OJ L 388, p. 4-17)

Verordnung (EU) 2021/1297 der Kommission vom 4. August 2021 zur Änderung des Anhangs XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich perfluorierter Carbonsäuren mit 9 bis 14 Kohlenstoffatomen in der Kette (C9-C14-PFCA), ihrer Salze und C9-C14-PFCA-verwandter Stoffe

Stellungnahme von Sven Giegold: Ewigkeitschemikalien/PFAS: EU-Kommission bestätigt Verbot bis 2022

UBA, Schwerpunkt: PFAS, 1/2020

Autor*innen: Andres Castro, Alina Anapyanova, Dr Julian Schenten

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