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Zukunftsvisionen von Innenstädten — Studierende entwickeln Konzepte für Darmstadt in der Ringvorlesung „Herausforderung: Nachhaltige Entwicklung“

Haus Glasfront Bäume spiegeln
Quelle: Scott Webb auf Pexels

Am 17. Februar fand die Abschlussveranstaltung der jährlichen Ringvorlesung der Initiative: Nachhaltige Entwicklung (i:ne) an der Hochschule Darmstadt (h_da) statt. Im dazugehörigen Begleitseminar entwickelten Studierende eigene Projekte, um Darmstadt zukunftsorientierter zu gestalten. Auch Darmstadts Oberbürgermeister (OB) Jochen Partsch nahm an der Veranstaltung teil und kommentierte die Projekte.

Zuvor gab Uwe Schneidewind, Wuppertals OB und Professor für Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit an der Bergischen Universität Wuppertal, einen Input zum Thema „Zukunftsvision – von anderen Städten lernen“. Daraufhin konnten die Teilnehmenden der Ringvorlesung mit Schneidewind über seinen Vortrag diskutieren.

Ringvorlesung

Konzipiert und veranstaltet wird die Ringvorlesung „Herausforderung: Nachhaltige Entwicklung” von Lehrenden und Studierenden der i:ne unter breiter Beteiligung der h_da-Fachbereiche. Neben Studierenden der Hochschule konnten, wie bereits in den Jahren zuvor, Interessierte aus Darmstadt und der Region an der Veranstaltung teilnehmen.

Darmstadt & Wuppertal im Wandel

Allgemein befinde sich das Bild von Innenstädten im Wandel, so Schneidewind. Deshalb gewährte er den Teilnehmenden einen Einblick in die zukünftige Konzeption der Stadt Wuppertal. Das heutige Wuppertal ist eine Fusion aus den zwei Städten Elberfeld und Barmen, sodass es polyzentrale Stadtzentren gibt. Vor allem weil auch Wuppertal das Ziel einer 15-Minuten-Stadt, also ein Stadtquartier, in dem alle wichtigen Einrichtungen innerhalb von 15 Minuten zu erreichen sind, verfolgt, sei ein Umdenken Wuppertals nötig. Es gebe schon eine Vielzahl an Leerständen. Deshalb plane die Stadt für 2025 ein 25.000 Quadratmeter großes Kaufhaus, das sich am Hauptbahnhof befinden und institutionelle Einrichtungen wie Ämter statt Shopping bieten soll. Dass diese Umplanung eines Stadtteils, der ursprünglich eine Vielzahl an Einkaufsmöglichkeiten bot, nicht trivial ist, macht Schneidewind deutlich: Die Rendite von innerstädtischen Immobilien werde anhand der Shopping-Möglichkeiten gemessen, sodass neue Formen von Eigentümerkooperationen essenziell sei.

Auch der Darmstädter Oberbürgermeister Partsch teilte sein Wissen zu Transformationsprozessen innerhalb der Stadt und sprach ein systematisches Innenstadtkonzept mit fünf Funktionalitäten an: Gastronomie, Wohnen, Kultur, Verkehr und Identifikation erfordern Beachtung, sodass sich kein Stakeholder übergangen fühle. Auf die Frage aus der Runde, wie Transformation trotz Widerstände möglich sein kann, nannte Schneidewind „Schlüsselakteure“, die innerhalb der Stakeholder eine „Mediationsposition“ einnehmen. Aber auch der ESG-Ansatz, also ein Gleichgewicht zwischen Umwelt, Sozialem sowie den Unternehmen, sei nicht zu missachten. ESG steht für „Environmental“ (Umwelt), „Social“ (Gesellschaft) und „Governance“. Daher sei die Entwicklung ein stetiger Prozess, der Partizipation, aber auch Experimentierfreudigkeit verlange und Fehltritte somit wesentlicher Teil des Prozesses seien.

Wie konkrete Projekte zu einer zukunftsorientierten Stadt führen können, zeigten im Anschluss drei Gruppen von Studierenden, die im Rahmen des Begleitseminars zur Ringvorlesung Ideen entwickelten. So entstanden die Projekte „Greenhouse”, „Share Your Space” und „Gude Stops”.

Projekt 1: Greenhouse

In der Ringvorlesung schlagen Studierende Vertical Farms vor. Hier ein Beispiel.
Beispiel für Vertical Farming Quelle: BrightAgrotech auf pixabay

Das Projekt „Greenhouse” kombiniert die Idee eines Supermarktes, des „Urban Farming” sowie „Foodsharing”. Dort sollen regionale Lebensmittel angebaut und verkauft werden. Durch „Urban Farming” werden Lebensmittel vertikal und somit platzsparender angebaut. Aber auch „unperfektes” Obst und Gemüse von Bauern aus der Region kann dort abgegeben werden, um das Wegwerfen von genießbaren Lebensmitteln zu reduzieren.

Was das Gebäude und dessen Kosten angeht, soll es sich um ein Gebäude mit niedrigem Energiebedarf handeln. Die Studierenden schlagen die Nutzung von Regen- und Abwasser sowie hauseigene Energiegewinnungsmaßnahmen vor. So erwarten sie für den Bau des Passivhauses Kosten in Höhe von circa 150.000 Euro. Für die Photovoltaikanlage gehen sie von circa 20.000 Euro aus. Um die Kosten der Vertical Farms möglichst gering zu halten, könnten diese im Rahmen eines Studierendenprojekts entstehen.

Zusätzlich schlagen die Studierenden dieser Projektgruppe einen “Dachgarten” vor. Dabei handelt es sich um mietbare Hochbeete auf Dächern der Darmstädter Innenstadt. Darüber hinaus kann dieser Dachgarten als Freizeitmöglichkeit und Begegnungsstätte genutzt werden.

Projekt 2: Share Your Space

Durch das Projekt „Share Your Space” soll die multifunktionale Mehrfachnutzung von Gewerbeflächen in der Innenstadt von Darmstadt ermöglicht werden. Die Studierenden haben auf Grundlage einer Bürger*innen-Umfrage aus dem Jahr 2018 festgestellt, dass Darmstadt nicht attraktiv für Shopping sei. So herrsche eine Eintönigkeit und gleichzeitig gebe es eine hohe Auslastung in der Stadt und kaum Platz für Neues. Aber auch für Läden sei Darmstadt nicht unbedingt attraktiv, da in einer sehr guten Lage Mieten in Höhe von 110 Euro pro Quadratmeter fällig seien.

Als Lösungsansatz bieten die Studierenden “Space Sharing” – die zeitgleiche oder zeitversetzte Mehrfachnutzung eines Raumes bzw. einer Fläche. Die mobile Einrichtung ermöglicht eine Als Lösungsansatz bieten die Studierenden „Space Sharing” – die zeitgleiche oder zeitversetzte Mehrfachnutzung eines Raumes bzw. einer Fläche. Die mobile Einrichtung ermöglicht eine Angebotsvielfalt, die kostengünstig ist und Synergien nutzbar macht. Dieses Projekt benötigt laut den Studierenden nicht allzu viel Aufwand, hat aber eine starke Wirkung. So stelle es eine Antwort auf den Masterplan DA 2030+ dar, knüpfe an bestehende Initiativen an und sei dabei nicht kostenintensiv, so die Gruppe. Für die Umsetzung ist die Stadt Darmstadt aber wichtiger Partner: Es bedarf eine App, mit der sich Interessierte vernetzen und Räume vermitteln können. Außerdem muss in der Stadt weitreichend zu diesem Angebot informiert und geworben werden.

Projekt 3: Gude Stops

Das dritte Projekt nennt sich „Gude Stops” und möchte Darmstadt wortwörtlich grüner machen. Gerade in Zeiten des Klimawandels sind Grünflächen von großer Bedeutung, um ein gesundes Stadtklima zu gewährleisten. Doch besonders in den Innenstädten herrscht eine hohe Flächenkonkurrenz, die es erschwert, hochwertige und kleinklimawirksame Begrünungen zu fördern. Unter Kleinklima wird die ganz spezielle klimatische Gegebenheit für ein kleines Gebiet verstanden. Deshalb schlagen die Studierenden die Begrünung von Dächern der Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel vor.

Insgesamt biete Darmstadt 164 ÖPNV-Haltestellen. Alle ungenutzten Flächen dieser Haltestellen wie die Dächer sollen dabei zu grünen Inseln werden. Robuste und blühende Pflanzen wie Sukkulenten eignen sich laut den Studierenden am besten. Die Gute Stops bieten somit eine Nahrungsquelle für Insekten, die Pflanzen filtern Stickstoff sowie Feinstaub aus der Luft. Sie tragen dazu bei, die Überhitzung der Oberflächen zu reduzieren und verschönern das Stadtbild. Darüber hinaus wird die Stadtbevölkerung sensibilisiert zum Thema Artenvielfalt und Artenschutz. Allgemein steigern diese Aspekte das Wohlbefinden in der Stadt. Probleme, die es noch zu lösen gilt, sind zum einen die mangelnde Statik der bisherigen Haltestellen für die Last der Begrünung und zum anderen die Kosten für (neue) Haltestellen und dessen Wartung. 

Allerdings zeigen bereits andere Städte, dass derartige Projekte umsetzbar sind. Utrecht hat bereits über 300 begrünte Haltestellen, die von Werbebetreibenden durch Werbeflächen finanziert und sich um die Wartungen kümmern.

In Darmstadt könnte dieses Projekt die Bürgerbeteiligung steigern, es könnten Patenschaften von In Darmstadt könnte dieses Projekt mit Hilfe von Bürgerbeteiligung umgesetzt werden, es könnten Patenschaften von Bürger*innen abgeschlossen werden, die sich um die Pflege der Flächen kümmern. Außerdem schlagen die Studierenden ein Impact Dashboard vor, das zeigt, welche Vorteile durch diese Begrünung vorliegen. Aber auch Unternehmen könnten sich am Sponsoring beteiligen.

Und was sagt OB Partsch dazu?

Generell zeigte sich der OB Darmstadts begeistert. In der Online-Veranstaltung waren parallel seine Berater*innen anwesend, mit denen er sich bereits während der Präsentationen austauschte. Das „Greenhouse” empfand er als „absolut faszinierende Idee“ und möchte mit den Studierenden Kontakt aufnehmen. Auch das Projekt „Share Your Space” füge sich laut Partsch gut in die Pläne der Stadt ein. Zu den „Gude Stops” empfand er, wie die Studierenden, die Linie 3 der Straßenbahn als geeignetes Pilotprojekt. Deren Streckenabschnitt in Bessungen soll 2024 umgebaut werden. Dennoch sei die Umsetzung hier nicht ganz so einfach: Der Werbepartner Stroer soll bereits ähnliche Ideen gehabt haben und zahle viel Geld für die Werbeflächen. Hier sei zunächst Rücksprache mit der HEAG Mobilo zu halten, so Partsch.

Green Offices an der h_da

Auch Nicole Saenger, Vizepräsidentin für Forschung und Nachhaltige Entwicklung der h_da, zeigte sich von den Projektideen begeistert. Sie freut sich, wenn die vorgestellten Projekte und auch andere Ideen der Studierenden im geplanten „Green Office” der h_da weiterentwickelt werden. Ein „Green Office” ist ein von Studierenden und Hochschulmitarbeitern geführtes Nachhaltigkeitsbüro.

Bis zum nächsten Mal!

Ab April beginnen die Planungen für die nächste Ringvorlesung im Wintersemester 2022/23. Alle Studierenden sowie Lehrenden können an der Konzeptionierung mitarbeiten. Wer sich für vorherige Vorträge interessiert, kann einen Blick auf den YouTube-Kanal der i:ne werfen. Alternativ gibt es auf dem Blog auch einen Beitrag zu den Projekten der letzten Jahre.

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