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Preisgekrönte Bachelorarbeit über einen Teil einer Schuhsohle? – Bianca Weber machts vor

Quelle: Sebastian Pociecha auf Unsplash

Eine gesamte Bachelorarbeit über einen winzigen Teil einer Schuhsohle schreiben, was soll da denn groß thematisiert werden? Laut Bianca Weber, Bachelor-Absolventin und aktuelle Masterstudentin des Studiengangs Umweltingenieuerwesen an der h_da, wirft so eine Schuhsohle viele spannende Fragen auf. Zum Beispiel: “Wie viel CO2 wird insgesamt bei der Herstellung von Fersenverstärkungen für Turnschuhe ausgestoßen?” Mit ihrer Bachelorarbeit “Calculation and Evaluation of a Carbon Footprint using the Example of Shoe Reinforcements of a medium-sized Company in the Textile Industry” gewann Bianca neben fünf weiteren Bachelor-Absolvent*innen den “Preis für Abschlussarbeiten zum Thema Nachhaltige Entwicklung” (pra:ne). Dieser wurde von der “Studentische Initiative: Nachhaltige Entwicklung” (sti:ne) der Hochschule Darmstadt (h_da) verliehen. Als Preisgeld wurden 300 Euro verliehen, mitfinanziert durch die HEAG und das Präsidium der h_da. Wie Bianca darauf kam, ein kleines Stück einer Schuhsohle zur Bachelorarbeit zu machen, erzählt sie im Interview. 

Hallo Bianca! Erstmal vielen Dank für deine Zeit. Du hast dir für deine Bachelorarbeit einen bestimmten Teil einer Schuhsohle, die Fersenverstärkung, herausgepickt und dessen CO2-Fußabdruck auf der Suche nach Verbesserungspotential berechnet. Wie bist du denn auf dieses spezielle Thema für deine Bachelorarbeit gekommen?

Wir müssen am Ende unseres Bachelor-Studiums ein dreimonatiges Praktikum machen. Das habe ich in einer Firma absolviert, die Nachhaltigkeitsberatung für Unternehmen anbietet und auch unter anderem Ökobilanzierungen durchführt. Dort habe ich an einem Projekt gearbeitet, in welchem ich die Berechnung des Carbon Footprints dieser “Kappen”, also der Fersenverstärkungen, und das Nennen von konkreten Optimierungspotentialen für das Herstellungsunternehmen als Auftrag hatte.

Im Prinzip ist mein Projekt dann immer weiter gewachsen und plötzlich waren die drei Monate rum, die Aufgabe aber noch nicht beendet und es hat mir Spaß gemacht. Also habe ich gesagt, dass ich das Projekt gern als Bachelorarbeit weiter verfolgen würde. Das kommt auch dem Projekt zugute, wenn dieselbe Person weiterhin daran arbeitet, die vom Team am besten informiert ist. Und so kam das eher zufällig. Aber ich wusste eigentlich schon, dass ich etwas in die Richtung in meiner Bachelorarbeit machen will. Das ist eine dankbare Arbeit, da man sich an einer vorgelegten Norm entlang hangelt. Diese Norm erklärt, wie man gewisse Dinge durchführt und was gemacht werden muss. Das fand ich immer sehr zugänglich. 

Du hast schon ein paar Schlagworte genannt wie Ökobilanzierung oder DIN-Normen. Kannst du mir vielleicht grob erklären, worum es da genau geht?

DIN-Normen gibt es zu jedem möglichen Thema. Es gibt DIN-Normen, europäische Normen oder auch internationale Standards, sogenannte ISO-Zertifikate. Das, was ich benutzt habe, ist deutscher und internationaler Standard. DIN-Normen entstehen durch eine Gruppe aus Experten eines Themas, die sich zusammensetzen und überlegen, wie bestimmte Dinge ablaufen sollen, damit sie einfach einheitlich sind.

Zum Beispiel: Du kennst ja ein normales DIN A4 Blatt. Das ist im Prinzip auch eine DIN-Norm, die sagt, DIN A0 entspricht einem Quadratmeter, DIN A1 ist dann die Hälfte davon, DIN A2 ist dann wieder die Hälfte von DIN A1 und so weiter. Und für Ökobilanzierung oder in meinem Fall Carbon Footprint gibt es eben auch spezielle DIN-Normen, in denen die Abläufe erklärt sind. So sind die berechneten Carbon Footprints nach einer bestimmten Norm vergleichbar. Wobei ich dazu sagen muss, dass es für einen Carbon Footprint oder Ökobilanzen verschiedene Standards gibt, die sich aber auch relativ ähnlich sind.

Und wie hast du das dann auf dein Thema bezogen?

Ich habe mir die Fersenverstärkung angeschaut und nach einer Norm berechnet, wie viel CO2 in der Produktion von diesen Verstärkungen ausgestoßen wird. Die DIN-Norm hat mir gesagt, wie ich dabei vorgehen soll, um das zu berechnen, für diesen Fall. Und da gibt es verschiedene Schritte, wie beispielsweise, dass man erstmal alle Daten sammelt.

Also wo wird produziert, wie wird produziert, wie viel Strom wird verbraucht, welche Materialien verwendet? Und so weiter. Man legt dann fest, wo in der Lieferkette das berechnet werden soll, in welchem Stadium? Und in meinem Fall war das die komplette Herstellung mit allen Rohstoffen, bis die “Kappe”, also die Verstärkung, die Produktion beim Hersteller verlässt und an einen Schuhproduzenten verschickt wird – zum Beispiel Nike oder Adidas. Man berechnet erstmal, wie viel CO2 ausgestoßen wird und dann kann man sich anschauen, in welchen Produktionsschritten man sich verbessern kann. Zum Beispiel in der Herstellung, weil da ganz viel Strom verwendet wird. Diese hat die meisten Auswirkungen auf das Endergebnis. Und dann kann man dem Hersteller sagen, wo er den Prozess optimieren kann. 

Das heißt, als du diese Berechnung durchgeführt hast, hast du einige Punkte mit Verbesserungspotential gefunden?

Ja, auf jeden Fall. Die Firma, die diese Verstärkung herstellt, hat drei verschiedene Produktionsmethoden und ich habe das Ganze für zwei Methoden berechnet. Bei einer von beiden Methoden hatte ich auch noch drei verschiedene Rohmaterial-Mischungen mit verschiedenen Zusammensetzungen. Also habe ich insgesamt vier Varianten einzeln berechnet und dann verglichen. Die eine Variante ist, dass diese sogenannten “Kappen” direkt in der richtigen Form hergestellt werden, damit sie direkt in den Schuh eingesetzt werden können. Bei dieser Produktionsmethode entstehen keine Abfälle. Der Hersteller hat sie selbst entwickelt und wollte deshalb wissen, ob das die beste Variante ist.

Die andere Variante ist eine gängige Praxis in der Industrie und kommt bei vielen Herstellern zum Einsatz. Dabei wird erst eine Platte hergestellt und daraus dann die Kappen ausgeschnitten und an den Seiten ein bisschen abgeschliffen, was “schärfen” genannt wird. Dadurch wird ziemlich viel Müll produziert, weil die Hälfte dieser Platte am Ende entsorgt wird. Die beiden Varianten habe ich verglichen und konnte direkt feststellen, dass auf jeden Fall die Variante, in der Müll entsteht, die schlechte Variante ist. Zudem verbrauchen die weiteren Produktionsschritte, das Ausschneiden und das Schärfen, viel Strom. Das sind dann die Erkenntnisse, die zur Empfehlung führten, nur noch das “Zero-Waste” Verfahren, welches der Hersteller entwickelt hat, zu verwenden. 

Das heißt, du hast einen Vergleich aufgestellt und dann das Unternehmen beraten, was eine bessere Lösung wäre.

Genau. Und auch, wie sie die bessere Lösung noch verbessern können. Da gab es noch den Fall, dass die Rohmaterialien an einen Standort geschickt werden. Dort werden diese gemischt und dann wird diese Mischung wieder verpackt und ca. 1.000 Kilometer per LKW transportiert. Das könnten sie zum Beispiel auch ändern, indem direkt am Standort gemischt wird, wo auch produziert wird.

Und gab es noch mehr Verbesserungspotenzial? Hattest du noch mehr Punkte gefunden?

Ja, beispielsweise den Strommix. Diesen könnten sie noch verbessern, indem sie Strom primär aus erneuerbaren Energien wie Wasserkraft, Windkraft oder Solar beziehen. Ebenfalls könnten sie zum Beispiel auf die Dächer ihrer Produktionsstätten Solaranlagen installieren, damit sie selbst Strom für die Produktion produzieren können.

Es ist also bereits beim kleinsten Detail möglich, umweltfreundlichere Alternativen zu nutzen, sogar bei einer Schuhverstärkung, an die man im ersten Moment vielleicht nicht denkt. Wie war es denn dann für dich, die Benachrichtigung zu bekommen, dass du den pra:ne gewonnen hast? 

Ich habe mich schon sehr, sehr doll gefreut, weil ich nicht damit gerechnet habe, dass ich eine Chance habe zu gewinnen. Ich denke, dass Carbon Footprint Assessments ein wichtiges Thema ist. Um Emissionen zu reduzieren, müssen wir erstmal wissen, wo die großen Emissionen überhaupt zustande kommen. Aber da ich nur so einen Mini-Teil von einem Turnschuh berechnet habe und da im Vergleich zu größeren Bestandteilen nicht das riesige Einsparpotenzial besteht, dachte ich, sind meine Chancen nicht so groß. Aber auch in einem so kleinen Teil des Schuhs steckt Einsparpotenzial. Die Firma, für die ich das gerechnet habe, hat das beauftragt, weil ihre Kunden, also die Schuh-Produzenten, diese Informationen für ihre eigenen Ökobilanzen brauchen. Das zeigt, dass Firmen mittlerweile genauer hinschauen müssen, wie sie produzieren. Deswegen hat es mich noch mehr gefreut, dass meine Arbeit über pra:ne honoriert wurde.

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