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„Wandel ist möglich, braucht aber Zeit und das ist die Herausforderung“ – Professor für Umweltpsychologie Prof. Dr. Andreas Homburg im Interview

Quelle: Djim Loic auf unsplash

Durch die aktuellen Krisen sind wir darauf angewiesen, in allen Lebensbereichen sparsamer zu sein. Warum handeln wir trotz des Bewusstseins nicht immer so und inwiefern können bereits Aktionen innerhalb der Hochschule zum Wandel beitragen? Das erzählt uns Prof. Dr. Andreas Homburg, Professor für Umweltpsychologie und Nachhaltigkeit an der Hochschule Darmstadt, im Interview.

Wie sind Sie denn zu dem Thema umweltfreundliches Verhalten gekommen und was reizt Sie daran so stark?

Prof. Dr. Andreas Homburg | Quelle: privat

Da gibt es zwei Stränge. Zum einen direkt in der Schule, damals war das Thema Waldsterben gerade aktuell. Das hat mich schon als Schüler umgetrieben. Ich war damals auch Mitglied bei den Grünen, was ich heute als Wissenschaftler so nicht mehr bin. Ich fand Naturschutz und Umweltschutz, gerade weil ich auch sehr naturverbunden war, schon damals zentral und wichtig. Zum anderen während meines Psychologiestudiums in Marburg. Als Studierender habe ich mich irgendwann gefragt: Wie gehen die Leute eigentlich damit um, dass da so etwas Bedrohliches, schwer zu kontrollierendes abläuft? So war ich dann ruckzuck sowohl als privat engagierter als auch als wissenschaftlich denkender Mensch bei Umweltthemen und habe mich der Stressbewältigungsforschung angenommen. Die Kernfrage dabei ist, wie die Menschen mit den Bedrohungen umgehen. Wie kann man den Umgang fördern, der zur Lösung beiträgt und nicht durch Resignation oder Verleugnung Probleme noch verstärkt?

Heutzutage ist uns durchaus bewusst, wie wir unser Handeln umweltfreundlicher und weniger egoistisch gestalten können. Wo liegen denn die Herausforderungen zur Förderung von umweltfreundlichem Verhalten?

Eine komplexe Frage. Es ist ja so: In kaum einem unseres Lebens handeln wir so, wie unsere Einstellungen, unsere Normen oder unser Bewusstsein es nahelegen. Zum Beispiel sind Sie und ich bestimmt sportlicher von der Einstellung, als wir es faktisch sind. Wir haben ein Gesundheitsbewusstsein, aber das setzt sich nicht eins zu eins mit Verhalten um. Es ist völlig trivial und selbstverständlich, dass wir Menschen nicht das, was wir uns vornehmen oder wollen, auch immer umsetzen, weil wir viele Sachen wollen. Nicht nur die Umwelt schützen oder für Klausuren lernen, wir wollen Spaß haben und uns ablenken oder Freunde treffen. Das sind konfligierende Ziele. 

Des Weiteren, was für den Umweltbereich besonders wichtig ist: Bei dem, was wir wollen, gucken wir natürlich, trauen wir uns das zu, können wir das überhaupt? Und gerade beim Klimaschutz stellt sich hier zurecht die Frage: Zählt mein Beitrag? Und das Dritte, was hinzukommt, ist das Ganze, neben unserer Bereitschaft etwas zu tun, auch in Verhalten umzusetzen. Viel basiert auf Routinen. Ich bin heute Morgen aufgestanden und habe nicht lange überlegt, ob ich die Zähne putze, sondern habe es einfach gemacht. Und manche Leute stehen halt morgens auf und steigen ins Auto, ohne lange nachzudenken. Das heißt, das ist eine Routine. Und solches Verhalten, in diesem Fall Mobilitätsverhalten, ist schwer zu ändern, wenn man sich gar nicht bewusst entscheidet. Was man fairerweise noch sagen muss: Menschen verhalten sich nach dem Prinzip, nicht gerade die schwerste Alternative auszuwählen. Und wenn ein umweltschonendes Verhalten aufwendiger, schwerer, teurer oder mühsamer ist als eine umweltschädliche Verhaltensweise, dann gehört schon ziemlich viel Umweltbewusstsein dazu, um das schwerere Verhalten dann trotzdem zu machen.

Sie lehren an der Hochschule Darmstadt. Inwiefern kommt das Thema umweltfreundliches Verhalten in Ihrer Lehre vor?

Zum einen habe ich eine Professur für Umweltpsychologie und Nachhaltigkeit. Das heißt, ich muss auch in meiner Lehre und primär im Masterstudiengang Wirtschaftspsychologie die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit berücksichtigen. Zentraler Bestandteil meiner Lehre sind die Fragestellungen “Wie nehmen Menschen Umweltprobleme wahr?”, “Wie erklärt sich umweltschonendes Verhalten und nachhaltiges Verhalten?” und “Wie kann man dieses Verhalten auf individueller und auf kollektiver Ebene fördern?” Zum anderen unterrichte ich auch Forschungsmethoden und das passt ganz gut, denn um Umweltverhalten zu erkunden, muss man auch Experimente oder Begleitstudien machen. Das heißt, auch bei anderen Themen komme ich immer wieder auf Praxisbeispiele aus Umwelt und Nachhaltigkeit zurück. Außerdem bin ich auch in Sachen Bachelor- und Masterarbeiten mit dem Thema beschäftigt.

Wie trägt die Hochschule Darmstadt als Institution Ihrer Meinung nach zur Förderung von umweltfreundlichem Verhalten bei? 

Ein wichtiger Bestandteil an der Hochschule Darmstadt ist die Forschungs- und Lehragenda durch den Schwerpunkt der Nachhaltigkeit. Die Idee, Lehr- und Forschungsinhalte nach Leitbildern auszurichten, finde ich sehr sinnvoll. So etwas dauert aber, bis das auf die praktische Ebene durchgesickert ist. Das ist ein Problem, das alle Organisationen haben, denn solche Veränderungsprozesse hin zu mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz brauchen Zeit – und das steht natürlich im krassen Kontrast zu der Dringlichkeit. Man kann sich die Hochschule wie ein Öltanker vorstellen: Um umzusteuern, bis der Letzte an Bord das mitbekommen hat, ist es ein langer Prozess. Ich sehe die Hochschule da sehr offen für und sehe aber andererseits auch, dass alle Akteure in dieser Organisation, also sowohl Lehrende, Forschende oder Studierende, natürlich ähnlich wie Alltagsmenschen noch viele andere Sachen um die Ohren haben und dass Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen dadurch nicht immer Priorität haben. Umwelt- und Nachhaltigkeitsprobleme sind eine Herausforderung: Wenn ich für die Klausur nicht lerne, gibt es eine Woche später eine Fünf. Wenn ich nichts für die Umwelt tue, schädigt das irgendwie irgendwann später irgendwo anders. Das heißt, es gibt psychologisch gesagt keine Lernschleifen. 

Im Zuge der aktuellen Krise reagierte auch die Hochschule Darmstadt mit einer Energiesparkampagne. Halten Sie diese grundsätzlich für einen guten Ansatz oder sehen Sie eher keinen Mehrwert?

Energiesparkampagne der h_da

2022 startete die Kampagne „runter drehen“ des neuen Green Office der h_da, um alle Hochschulmitglieder für das Thema Energie sparen zu sensibilisieren. Dafür gab es monatlich wechselnde Schwerpunkte: im Oktober „Strom sparen“, im November „Heizen und Lüften“ sowie im Dezember „Wohnen“. Das Green Office ist zudem im Austausch mit sieben Nachhaltigkeitsbüros hessischer Hochschulen, um sich gegenseitig in den Energiesparmaßnahmen bestmöglich zu unterstützen.

Die aktuelle Kampagne ist angesichts der dramatischen Veränderungen ein Muss. Sie kann umfassender und besser gestaltet werden, weil, so ist meine Prognose, sie auf der konkreten Verhaltensebene im Alltag nicht viel erreicht. Um Routinen zu brechen, braucht es ein massives Einwirken, eine massive Kampagne mit vielen Postern, Plakaten und Flyern. Normalerweise laufen Kampagnen zum Thema Umwelt und Nachhaltigkeit anders, nämlich mit mehr zeitlichem Vorlauf. 

Im Moment haben Kampagnen eine größere Erfolgschance, weil der Handlungsdruck größer ist. Gleichzeitig wächst aber auch die Verantwortung von denjenigen, die solche Kampagnen machen. Auch zu zeigen, dass das was bringt, was sie da anregen wollen. Deshalb muss man mal gucken, wie man das Ganze weiterentwickeln kann. Was allen Beteiligten zum Beispiel klar ist: Wenn ich mein Verhalten ändere, ist es wichtig, dass genauso die Infrastruktur stimmt – und sie stimmt nicht, wenn die Fenster zugig sind oder die Heizung sich schlecht regulieren lässt. Die Infrastruktur innerhalb der Hochschule ist schon entwicklungsbedürftig. Man muss ein Gesamtkonzept haben, um so eine Hochschule nicht nur in Forschung und Lehre, sondern auch in alltäglichen Prozessen effizienter zu machen. Alle müssen am Ball bleiben, sowohl das Präsidium als auch die Mitarbeiter und das Green Office, sodass die Kampagne an Fahrt gewinnt und kein reiner Verwaltungsakt wird, der nicht mit Leben gefüllt ist.

Gibt es unter Ihrer Leitung aktuell Studierendenprojekte, in denen das Thema umweltschonendes Verhalten bereits direkte Umsetzung findet oder Studien durchgeführt werden?

Ja, momentan haben wir einige Experimente am Laufen. Wissenschaft versucht ja im Kleinen auszuprobieren, ob etwas unter kontrollierten Bedingungen wirklich wirkt. Und zum einen versuchen wir in mehreren Studien das, was wir “kollektive Wirksamkeit” nennen, zu fördern. Also wie kann man es fördern, dass Menschen daran glauben, dass sie gemeinsam in der Lage sind, etwas zu ändern? Wie gesagt, Einzelne können gegen den Klimawandel nur sehr wenig tun. Wenn man aber das Gefühl hat: “Wir in unserer Organisation, in unserem Land oder wir als Menschheit ziehen an einem Strang”, sollte man dann eher bereit sein, etwas zu tun? In unseren Experimenten gucken wir, wie man denn so eine Überzeugung fördern kann. Helfen da gute Beispiele, wie, dass viele Leute schon mitmachen und so weiter.

Das zweite, was wir versuchen, ist, wie man umweltschonendes Verhalten untersucht. Das ist gar nicht so leicht zu untersuchen, weil wenn ich Sie jetzt frage, sparen Sie Energie, dann würden Sie natürlich wahrscheinlich schon “ja” sagen, aber was heißt das? Sagen Sie das, um gut dastehen? Also das heißt, wir möchten herausfinden, wie man das überhaupt zuverlässig misst – ohne soziale Erwünschtheit und ohne die Befragten zu überfordern. Es ist also eher ein Schritt zurückgehen, denn Wissenschaft braucht Zeit. 

Gibt es sonst auch Projekte oder Veranstaltungen, die auch interdisziplinär stattfinden, die nicht unbedingt naturwissenschaftliches oder psychologisches Vorwissen voraussetzen?

Das wäre ja der Klassiker, um das in einem SuK anzubieten. Ich bin ja noch nicht so lange an der Hochschule und für mein SuK habe ich mich auf ganz andere Themen fokussiert. In meinen Seminaren geht es um Aggression und Gewalt – das hat mit Umweltschutz nur indirekt etwas zu tun. An einem Punkt ganz direkt, nämlich Klimawandel fördert Aggression und Gewalt. Nicht nur Kriege, sondern auch lokale Konflikte, Konflikte zwischen sozialen Gruppen, selbst Konflikte in Familien. Dahingehend kann ich interdisziplinäre Lehre anbieten, weiß aber nicht, wie das im Sommersemester aussieht. Ansonsten wird es schwer, weil mein Masterstudiengang zwar interdisziplinär aufgestellt ist, studieren kann man ihn aber nur, wenn man schon einen Bachelor in Psychologie hat.

Niederschwellig zum Einstieg in Sachen Umweltschutzkampagnen et cetera biete ich Workshops an – allerdings nicht im Rahmen der Lehre. Das ist ein anderes Konzept. Ich bin engagiert in der Initiative Psychologie Umweltschutz und das ist für Studierende, egal ob aus Psychologie oder anderen Fachrichtungen, eine super Plattform, um sich mit Umweltschutz und menschlichem Verhalten näher zu beschäftigen. Dort werden Tagungen, Workshops oder Onlineweiterbildungen angeboten – das kann ich wirklich sehr empfehlen. 

Und wie geht es nun weiter? Haben Sie eine Prognose, wie es zukünftig im Hinblick auf die Förderung von umweltfreundlichem Verhalten weitergeht?

Wir stehen schon seit Längerem als Gesellschaft an dem Punkt, wo wir uns fragen: “Schafft man es, umzusteuern?” Meine Prognose ist: Ich weiß nicht, ob es uns gelingt. Unsere Gesellschaft, unsere Volkswirtschaft ist so aufgestellt, dass wir Schäden – zumindest noch – ganz gut abpuffern können. Das sieht in anderen Ländern viel schlechter und viel dramatischer aus. 

Allgemein können Wissenschaftler*innen der Gesellschaft Angebote machen, indem sie aufzeigen, wie der aktuelle Wissensstand ist und was man tun kann. Ich persönlich würde mir wünschen, dass vonseiten der Gesellschaft mehr danach gefragt wird. Was sich allerdings beobachten lässt, sind zumindest die verbalen Bekenntnisse, dass man mehr für Klima und Umwelt und Nachhaltigkeit tun muss, immer stärker werden. Und meine Hoffnung ist, dass es irgendwann einen positiven Kipppunkt gibt. 

Im Bereich Klimawandel reden wir häufig von Kipppunkten, dass sich was verschlechtern kann. Ich hoffe, dass es einen positiven Punkt gibt, wo sich Dinge relativ dynamisch ins Positive entwickeln und man sich irgendwann fragt: “Wie konnte es eigentlich kommen, dass es normal ist, dass jeder ein oder anderthalb Auto vor der Tür stehen hat?” Dass wir auf unser Verhalten so zurückblicken, als Individuum und Gesellschaft, wie wir heute ungläubig darauf zurückblicken, wie es sein konnte, dass Frauen nicht wählen durften. Im Bereich der Transformationsforschung besteht die Hoffnung, dass uns das auch in Bezug auf unser umweltschädliches und nicht-nachhaltiges Verhalten verwundert. Das heißt, Wandel ist möglich, braucht aber Zeit und das ist die Herausforderung.

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