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Nachhaltige Entwicklung an der h_da

Die „perspektive n“-Veranstaltung am 29. September 2016 in den Räumen des Schader-Forums in Darmstadt war in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich: Der Präsident der Hochschule hatte sich auf ein Format eingelassen, bei dem Studierende eine zentrale Rolle spielten; außerdem waren die Inhalte alles andere als ein Heimspiel. Es ging unter dem Motto „Die Hochschule weiterdenken“ um die Rolle Nachhaltiger Entwicklung (NE) an der Hochschule Darmstadt (h_da).

Dabei gab es durchaus eine Vorgeschichte. In einer ganzen Reihe von Studiengängen war seit den 90-Jahren Nachhaltige Entwicklung Gegenstand der Lehre; so etwa im interdisziplinären Studiengang „Energiewirtschaft“, gegründet im Kontext der ersten Klima-Enquête-Kommission des 11. Deutschen Bundestages, um Akteure für die Energiewende auszubilden, und angesiedelt im Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften. Auch das gleichnamige „SuK-Begleitstudium“ nach dem „Darmstädter Modell“ der Ingenieurausbildung bot seitdem entsprechende Seminare und Vorlesungen an. Daraus ging dann 2015 der im Rahmen der BNE-UN-Dekade ausgezeichnete Master-Studium „Risk Assessment and Sustainability Management“ (RASUM) hervor. Im Anschluss an das 2. RASUM-Symposium in der Schader-Stiftung fand dann auch die vom netzwerk n-Vorstandsmitglied Michael Flohr, M.A. Universität Erfurt, moderierte Diskussionsveranstaltung statt.

Podiumsgäste waren neben dem Präsident Hochschule Darmstadt Prof. Dr. Ralph Stengler, Dr. rer. nat.-Silke Kleihauer, I:NE-Koordinatorin, das Vorstandsmitglied der kommunalen HEAG Holding AG Prof. Dr. Klaus Ahrend, auch die Umweltingenieur-Studentin Christine Hermann sowie Johannes Geibel, M. Sc., ebenfalls vom Vorstand Netzwerk N e.V. Der Anstoß, die Debattenreihe „perspektive n“ an die Hochschule Darmstadt zu holen, kam aus der hochschulweiten „Initiative: Nachhaltige Entwicklung in der h_da – Lehre, Forschung, Betrieb“ (I:NE). Ihr gehörten damals bislang 28 Mitglieder (Lehrende, Studierende und Beschäftigte) aus insgesamt zehn Fachbereichen sowie aus dem Kompetenzzentrum Lehre plus und aus der Abteilung Sicherheit und Umwelt an. Seit der Veranstaltung, deren Video-Mitschnitt im Internet zugänglich ist, hat sich Mitgliederzahl dieser statusgruppenübergreifenden bottom-up-Initiative verdoppelt und man konnte die Kooperation mit Partnern der Region vertiefen. Und auch sonst hat sich seitdem einiges an der h_da getan.

Bereits im Herbst 2016 entwickelte die Gruppe der Studierenden in I:NE (kurz: stI:NE) in einem Wander-Coaching eigene Perspektiven. Die Studierenden beteiligten sich in der Folge an den „europäischen Wochen“ der Abfallvermeidung und der Nachhaltigkeit mit eigenen Aktionen. Einen großen Schritt nach vorne gelang I:NE dann vor der – ebenfalls statusgruppenübergreifend besetzten – QSL-Kommission der h_da, die über die Mittel zur „Verbesserung er Qualität der Studienbedingungen und der Lehre“ berät: Der Antrag, eine volle Dauerstelle für die I:NE-Leitung sowie eine Viertel Sekretariatsstelle wurde bewilligt. Wohl auch unter dem Eindruck der „perspektive n“-Veranstaltung folgte das Präsidium der h_da diesmal der Kommissions-Entscheidung. Damit aber war noch nicht Schluss: Im Rahmen der neu geschaffenen Forschungsstrukturförderung des Landes Hessen war das aus I:NE hervorgegangene interdisziplinäre Forschungscluster „Nachhaltige Prozesse und Verfahren“ (F:NE) erfolgreich, in dem sich 25 Lehrende zusammengeschlossen haben, um in der Forschung Beträge zur Umsetzung der SDG´s zu leisten.

Und als ob das noch nicht genug wäre, folgte Mitte 2017 der höchst unwahrscheinliche „Jackpot“: Im Bund/Länder-Programm „Innovative Hochschule“ überzeugte die h_da ein unabhängiges Auswahlgremium mit ihrem Antrag „Systeminnovation für Nachhaltige Entwicklung – Transfer als Lernprozess in der Region“ (S:NE). Die Förderung der Transfer-Aktivitäten, die auch Partner in der Region einschließt, in der Höhe von rund zwei Millionen Euro pro Jahr beginnt Anfang 2018 und läuft über fünf Jahre.

Die Pressestelle der Hochschule fährt in ihrer Pressemitteilung vom 04.07.2017 fort:

Der Erfolg bestärkt die Hochschule in ihren Bestrebungen, in Lehre und Forschung im Bereich der Nachhaltigen Entwicklung eng mit Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft in der Region zusammenzuarbeiten. Die erstmals aufgelegte Initiative wird auch als Pendant zur universitären „Exzellenzinitiative“ bezeichnet. Die h_da möchte im Rahmen des Projekts zur Nachhaltigen Entwicklung beitragen, indem sie regionale Akteure unterstützt, die damit einhergehenden gesellschaftlichen Herausforderungen anzugehen. Das Vorhaben will die Transferaktivitäten der Hochschule in mehreren Phasen in ein „lernendes System“ überführen. Eine Innovations- und Transformationsplattform führt die bestehenden Kooperationen mit politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Akteuren sowie Forschungseinrichtungen in der Region zusammen und richtet sie thematisch an den Herausforderungen „Nachhaltiger Entwicklung“ aus.

„Dieser Erfolg zeigt, dass die h_da in ihren Bestrebungen im Bereich Nachhaltige Entwicklung auf dem richtigen Weg ist. Es ist ein großer Gewinn für die Stadt, dass es jetzt zwei Hochschulen gibt, die eine Exzellenz-Förderung erhalten. Den Antragstellern, insbesondere Prof. Dr. Martin Führ und Dr. Silke Kleihauer, gratuliere ich ganz herzlich“, sagt h_da-Präsident Prof. Dr. Ralph Stengler.

„Dieser Erfolg ist das Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses innerhalb der Hochschule, bei dem die ‚Initiative: Nachhaltige Entwicklung‘ (I:NE) eine zentrale Rolle spielt“, erläutert Prof. Dr. Martin Führ vom Fachbereich Gesellschaftswissenschaften.

Wesentliche Impulse zu diesem Prozess vermittelte dabei die „perspektive n“-Veranstaltung im September 2016. Dies gilt nicht nur für Forschung und Transfer, sondern auch für die Lehre. Nach außen sichtbar (auch über den youtube) macht dies die von I:NE getragene Ringvorlesungs-Reihe „Herausforderung: Nachhaltige Entwicklung“. Im Wintersemester 2016/17 ging es dort um „Klimaschutz in und um Darmstadt“. An der h_da Lehrende aus unterschiedlichen Disziplinen, aber auch Forschende und Praktiker aus der Region vermittelten ein anschauliches Bild regionaler Ansätze. In einem Begleitseminar hatten Studierende die Aufgabe, für selbst gewählte Problemfelder konkrete Lösungsoptionen zu entwickeln und in Form eines Plakates aufzuzeigen, welche Akteure dabei für eine Mitwirkung zu gewinnen sind. Von den 10 entwickelten Konzepten wählten die Studierenden in geheimer Wahl drei aus, die das jeweilige Team in der Abschluss-Veranstaltung dem Oberbürgermeister der Wissenschaftsstadt Darmstadt, Jochen Partsch, vorstellte. Er sagte zu, zwei der Vorschläge weiter zu verfolgen, was mittlerweile auch geschah: Zum einen das Konzept, die Straßenbeleuchtung schrittweise auf dimmbare und bewegungsabhängige LED-Leuchten umstellen und zum anderen greifen städtische Gesellschaften, das Studierendenwerk und die h_da den Vorschlag auf, einen „Darmstadt-Becher“ als Pfandsystem auf den Weg zu bringen, um den „coffee to go“-Einwegbecherverbrauch zurückzudrängen. Das dritte Konzept, Fassadenbegrünung durch die Hauseigentümer zu fördern, erweist sich angesichts des Einbruchs in der Gewerbesteuer und des daraus resultierenden Sparzwanges als schwierig umsetzbar.

Im Wintersemester 2017/2018 geht es in der Ringvorlesung um ein „Ressourceneffizientes Darmstadt“ und die Frage, wie es einer prosperierenden Stadt wie Darmstadt gelingen kann, Wachstum und ressourceneffizientes Handeln miteinander zu verbinden? Wieder beleuchten Fachleute aus Wissenschaft und Praxis in kurzen Vorträgen die Thematik aus unterschiedlichen Blickwinkeln und stellen den regionalen Bezug her. In der anschließenden Diskussion können sich auch Interessierte aus der Region beteiligen. Das erfolgreiche Konzept des „aktivierenden Begleitseminars“ hat I:NE noch erweitert: Statt Analyse und Gestaltungsoptionen auf einem Plakat zu veranschaulichen, haben die studentischen Teams diesmal die Chance, ihre Konzepte in Kurzfilmen zu präsentierten, die sie – angeleitet durch den Filmemacher Jörg Altekruse von youth4planet – mittels ihrer Smartphones selbst produzieren. Oberbürgermeister Jochen Partsch hat sein Kommen bereits zugesagt. Am 1. Februar 2018 ist es dann so weit: Studierende zeigen, wie sie Akteure der Region gewinnen wollen, sich auf der regionalen „Ressourcen-Landkarte“ an der Suche nach bislang ungehobenen „Schätzen“ zu beteiligen. Erste Fährten legte in der Auftaktveranstaltung am 12. Oktober 2017 der Ökonom und Mitglied der „Chemie“-Enquête-Kommission des 12. Deutschen Bundestages, Martin Held von der Ev. Akademie Tutzing, der auch im Gesprächskreis „Die Transformateure“ mitwirkt.

Und schließlich hat sich I:NE für den „Betrieb“ der Hochschule noch einiges vorgenommen. Im Rahmen des Programms „Klimaneutrale Landesverwaltung Hessen“ will sie dazu beitragen, CO2–Minderungspotentiale zu erschließen. Verknüpft mit einer Lehrveranstaltung im Studiengang Umweltingenieurwesen ist zudem vorgesehen, erste Bausteine für ein Umweltmanagementsystem an der h_da zu erstellen.

Dieser kurze Abriss, erstellt für „perspektive n“, macht deutlich: Die „perspektive n“-Veranstaltung hat eine wichtige Katalysator-Funktion erfüllt, die noch immer wirksam ist; denn die Geschichte von NE an der h_da ist noch nicht abgeschlossen, was sich auf dem Nachhaltigkeitsblog der h_da jeweils aktuell verfolgen lässt.


Zum Weiterlesen drei Beiträge zum Symposium „Nachhaltigkeit in der Lehre“, Juni 2017 an der HAW Hamburg, die erscheinen in Leal (Hrsg.) 2017, Nachhaltigkeit in der Lehre: eine Herausforderung für Hochschulen, Springer-Verlag.

Linow/Führ/Kleihauer 2017:
Aktivierende Ringvorlesung mit begleitender Konzept-Werkstatt
Herausforderung: Nachhaltige Entwicklung – Klimaschutz in und um Darmstadt

Kleihauer/Führ 2017:
Nachhaltige Entwicklung strukturell in der Lehre verankern
Herausforderung transdisziplinäre Lehre: Aufbau des praxis-orientierten Master-Studiengangs RASUM

Führ/ Kleihauer/ van der Veen 2017:
Praxisprojekte zum Nachhaltigkeits- und Risiko-Management
Design und Erfahrungen im Master-Studiengang RASUM

Text: Dr. Martin Führ

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